Berliner Philharmoniker
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Autor*in: Christoph Vratz
ca. 3 Minuten

Porträt-Foto in schwarz-weiß von Antonín Dvořák.
Antonín Dvořák, 1901, Prag | Bild: J.F. Langhans (Urheber) - Czech Museum of Music, Czech Republic - CC BY.

Vom Orchestermusiker zum Nationalkomponisten – Antonín Dvořák legte eine beispiellose Karriere hin. Dank seines musikalischen Genies, seiner unbegrenzten Erfindungskraft und seines Mentors Johannes Brahms, der das einmalige Talent des jüngeren Komponisten erkannte, förderte und dem Tschechen so manche Türe öffnete. So empfahl er beispielsweise Dvořáks Stabat mater einem einflussreichen Musikverleger.

Der Vater, ein Metzger und Gastwirt, spielte Zither. Sein Sohn konnte bereits ein bisschen Geige spielen, als er beim Kantor von Zlonice erstmals mit der Orgel in Berührung kam. Schnell war klar: Die Musik lockte den jungen Antonín Dvořák immer mehr. Er begann sogar zu komponieren, bildete sich, teilweise autodidaktisch, immer weiter, während er sich auf der Orgelschule auf seinen späteren Dienst als Organist vorbereitete. Doch dann landete er in einem Orchester und konnte sein Geld als Bratscher verdienen.

Ab 1862 spielte er regelmäßig im Prager Theater, einem Ausweichquartier, weil das neue tschechische Nationaltheater erst noch gebaut werden sollte. Dvořák war etwas über 20 Jahre alt, als Richard Wagner im November 1863 nach Prag kam und eigene Werke konzertant aufführte. Für Dvořák ein Erlebnis von bleibender Erinnerung, zumal er im Theater so revolutionäre Werke wie den Fliegenden Holländer, Tannhäuser und Lohengrin spielen durfte.

Opern-Projekte, Kammermusik und eine erste Symphonie

Er verfiel dem Zauber dieser Musik zunehmend. Nebenher komponierte Dvořák eigene Werke, er wagte sich an erste Opern-Projekte, schrieb Kammermusik, schließlich eine erste Symphonie. Doch noch war seine musikalische Sprache nicht ausgereift. Daher verschwanden etliche dieser Werke erst einmal in der Schublade.

Erfolgreicher gestalteten sich die frühen 1870er-Jahre: Erstmals wurde eine seiner Kompositionen öffentlich aufgeführt, das Lied Die Lerche erschien im Druck, wenig später folgte ein Streichquartett. Dvořák gewann an Selbstbewusstsein.

Weiterhin verdiente er sein Geld in erster Linie als Bratscher, auch seine Tätigkeit als Klavierlehrer besserte das Einkommen auf. 1873 arbeitete er bereits an seiner Dritten Symphonie und reichte sie anschließend beim Wiener Unterrichtsministerium ein, das junge, mittellose, talentierte Künstler finanziell unterstützte. In der Jury saßen neben dem Wiener Hofoperndirektor und dem Kritiker-Papst Eduard Hanslick, einem gebürtiger Prager, auch der Komponist Johannes Brahms.

Dvořák erhielt ein Stipendium und musste von nun an fünf Jahre lang regelmäßig seine neuen Werke vorlegen. Noch konnte er nicht ahnen, dass Brahms in seinem weiteren Leben eine zentrale Rolle spielen würde. Denn Brahms setzte sich, ohne jede öffentliche Erwähnung, vehement für den jungen Kollegen ein, sowohl in der Jury als auch später bei seinem Verleger Fritz Simrock.

Der Förderer Brahms

Sein Kopf war randvoll mit Ideen und musikalischen Einfällen, die ihm die Arbeit als Komponist zunehmend erleichterten. »Der Kerl hat mehr Ideen als wir alle! Aus seinen Abfällen könnte sich jeder andere die Hauptthemen zusammenklauben«, schwärmte Johannes Brahms.

Schließlich erfuhr Dvořák, wer sich immer wieder im Hintergrund für ihn einsetzte. Im Dezember 1877 schrieb er einen Brief: »Hochgeehrter Herr!«, begann er, »ich bin so glücklich, an Sie […] diese paar Worte zu richten, um Ihnen meinen tiefgefühltesten Dank für die mir erwiesene Wohltat auszusprechen.« Gerade erst hatte Dvořák sein Stabat mater vollendet, das einen wichtigen Meilenstein seines künstlerischen Werdegangs bildete. Bei der Wiener Jury reichte er die Klänge aus Mähren ein, eine neue Folge von Duetten für Sopran und Alt.

Brahms reagierte abermals begeistert und berichtete sofort seinem Verleger Simrock in Berlin über ein Heft, »das mir gar zu hübsch und praktisch für den Verlag vorkommt«. Nur müsse noch eine deutsche Übersetzung angefertigt werden, denn die »Texte sind bloß böhmisch«. Als Dvořák davon erfuhr, machte er sich sofort auf den Weg nach Wien zu einem Dankesbesuch.

Doch er traf Brahms, der Simrock auch das Stabat mater zur Veröffentlichung empfahl, nicht zu Hause an, weil dieser gerade auf Konzertreise war. Seiner Wirtin hinterließ Dvořák einige mitgebrachte Kompositionen.

Es entwickelt sich eine der fruchtbarsten Künstlerfreundschaften des 19. Jahrhunderts. Hier der stets bescheidene Dvořák; dort der kritische, gelegentlich brummelnde Brahms. Später schickten sie einander gegenseitig ihre neuen Kompositionen zu oder spielten sie sich einander am Klavier vor. Unterdessen erkannte Simrock, was er an Dvořák hatte: einen Erfolgsgaranten.

Eine Lizenz zum Gelddrucken

1878 lieferte Dvořák die vom Verleger erbetenen ersten acht Slawischen Tänze, die als Pedant zu Brahmsʼ Ungarischen Tänzen gedacht waren. Mit diesen Werken hatte Simrock, wie Dvořák schrieb, »eine Grube gefunden, die nicht so leicht zu unterschätzen ist.« Anders gesagt: Die Beliebtheit dieser Tänze glich einer Lizenz zum Gelddrucken. Der Aufstieg des Antonín Dvořák ließ sich nicht mehr aufhalten.

Gerade die Siebte Symphonie bescherte Dvořák einen seiner größten Erfolge. 1884 hatte er zunächst die Dritte Symphonie von Freund Brahms gehört, bevor er sich – nach mehr als vierjähriger Pause – nun selbst wieder an eine Symphonie heranwagte. Uraufgeführt wird die Siebte im April 1885 in England. Dvořák befindet sich auf dem Gipfel seiner bisherigen Laufbahn.

Später folgen noch die Erfolgsjahre in Amerika, seine Tätigkeit bei den Philharmonikern von New York und die reichen, reifen Früchte jener Zeit, darunter das „Amerikanische“ Streichquartett op. 96 und die Sinfonie „Aus der neue Welt“. Zurück aus Übersee, präsentiert Dvořák seinem Freund Brahms ein neues Cellokonzert. Der reagiert voller Freude: „Warum habe ich nicht gewusst, dass man ein Cellokonzert wie dieses schreiben kann? Hätte ich es gewusst, hätte ich schon vor langer Zeit eines geschrieben!“ Brahms starb im April 1897, Dvořák sieben Jahre später, nachdem er zuletzt nur noch wenig komponiert hat.