
Sie verkörpert den Prototyp der modernen, erfolgreichen Karrierefrau – und lebte doch in einer Zeit, in der dies für eine Frau nicht selbstverständlich war: Clara Schumann war Komponistin, Klavierpädagogin und eine der gefeiertsten Pianistinnen ihrer Zeit. Zeitgenössische Berichte beschreiben ihr Spiel als so energetisch und kraftvoll wie das eines Mannes. Solches Urteil galt damals als höchstes Lob. Von Kindheit an wurde sie von ihrem Vater, dem Klavierpädagogen Friedrich Wieck, auf die Pianistinnenlaufbahn vorbereitet.
Nach ihrer Eheschließung mit dem Komponisten Robert Schumann setzte sie alles daran, Beruf und Familienleben zu verbinden, ein Spagat, der ihr nur dank ihres großen Talents und ihrer eiserner Disziplin gelang. Auch wenn Clara, die in ihrer 16-jährigen Ehe acht Kinder gebar, ihre Rolle als Ehefrau und Mutter sehr ernst nahm, fühlte sie sich an erster Stelle als Künstlerin. Mit den Gagen ihrer Tourneen und Konzertauftritte trug sie maßgeblich zum Lebensunterhalt der Familie bei. Als sie im Alter von 36 Jahren Witwe wurde, musste sie fortan allein für ihre Familie sorgen. Sie startete karrieremäßig noch einmal durch und konzertierte in ganz Europa. »Die Ausübung der Kunst ist ja ein großer Teil meines Ichs, es ist mir die Luft, in der ich atme.«
Imposanter Anschlag
Auch bei den Berliner Philharmonikern gastierte sie mehrfach. Das erste Mal am 18. Februar 1883, zehn Monate nach der Gründung des Orchesters. Die damals 64-jährige Clara Schumann interpretierte unter der Leitung von Ernst Rudorff neben dem Klavierpart in Beethovens Chorfantasie auch das Klavierkonzert ihres Mannes.
»Sie entwickelte dabei eine überraschende körperliche und geistige Frische. Ihr imposanter Anschlag, die runden, wie Perlen aneinandergereihten Töne, verbunden mit der griffigen Erfassung ihrer Aufgabe gewährten einen musikalischen Genuß«, hieß es in einer Besprechung der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung.
Die Pianistin wurde enthusiastisch gefeiert. Was das Publikum nicht wusste: Clara Schumann war wenige Tage zuvor auf einer Treppe gestürzt und hatte sich die Hand verletzt. Sie spielte – wie sie Johannes Brahms in einem Brief anvertraute – unter großen Schmerzen.
Doch der Erfolg entschädigte sie für alles: »Ich habe kaum jemals solch einen herzlichen Enthusiasmus erlebt.« Im Oktober des gleichen Jahres kehrte sie zu den Berliner Philharmonikern zurück, um unter der Leitung von Joseph Joachim Beethovens Viertes Klavierkonzert aufzuführen.

Immer wieder Berlin
Schon vor Gründung der Berliner Philharmoniker hatte Clara Schumann viel in Berlin konzertiert. Das lag nicht zuletzt an der Freundschaft mit Joseph und Amalie Joachim. Mit dem Künstlerehepaar – er Dirigent und Geiger, sie Sängerin – realisierte die Pianistin immer wieder Konzerte. Außerdem lebte Claras Mutter, eine Sängerin und Pianistin, seit 1826 mit ihrem zweiten Ehemann, dem Musikpädagogen Adolph Bargiel, in Berlin. Der aus dieser Ehe stammende Halbbruder Woldemar zählte als Komponist und Professor der Musikhochschule ebenfalls zu den wichtigen Musikerpersönlichkeiten der Stadt.
Clara Schumann war in Berlin also gut vernetzt. Im April 1885 hatte sie kurz hintereinander gleich zwei Auftritte mit den Berliner Philharmonikern: Unter Joachims Leitung war sie mit Mozarts d-Moll-Klavierkonzert zu hören, unter Woldemar Bargiel gab sie nochmal das Schumann-Konzert. »Ich glaube, ich spielte frischer, denn je«, schrieb sie an Brahms. »Was mir bei dem Konzert sehr lieb war, war, dass ich dem Woldemar die Direktion desselben übertragen konnte, der sich nach solch einer Gelegenheit seit Jahren gesehnt hatte.«
Ausverkaufte Konzerte
Clara Schumanns Ruhm sorgte für volle Kassen. Ihre Konzerte waren Verkaufsschlager. Als sie im Januar 1889 zum letzten Mal zu den Berliner Philharmonikern kam, gab es im Saal der Philharmonie keinen Platz mehr. Beim Betreten des Podiums empfing sie das Publikum voller Begeisterung. »Es hatte etwas ungemein rührendes, als die siebzigjährige Frau in leicht gebückter Haltung sich an’s Klavier setzte, um das f-Moll-Konzert von Chopin zu spielen, und wie sie dann mit der Kraft, dem Feuer und der Frische einer Siebzehnjährigen die schwierige Aufgabe bewältigte, in der sie nicht das Mindeste schuldig blieb. Die Begeisterung der Zuhörer hat selten berechtigter einen so stürmischen Ausdruck angenommen…« (Allgemeine Musik-Zeitung).
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