Von verbrannten Teekesseln und berauschenden Bass-Konzerten

Solo-Bassist Matthew McDonald im Gespräch

Matthew McDonald
(Foto: Emile Holba)

Das neue Werk von Gerald Barry Aus »Die bitteren Tränen der Petra von Kant«, das am 2. Juni uraufgeführt wird, vertont eine Szene aus Rainer Werner Fassbinders gleichnamigem Film und legt musikalisch menschliche Abgründe und Sehnsüchte frei. Matthew McDonald, 1. Solo-Bassist der Berliner Philharmoniker wird das Konzert für Kontrabass und Orchester interpretieren und sprach mit uns vorab über die Entstehung des Werks und warum er dafür pfeifend über den Tegeler See paddelte.


Sie sind Solist für die Uraufführung von Gerald Barrys Werk, ein Konzert für Kontrabass und Orchester. Wie können wir uns das vorstellen: Kam die Partitur per Post? Haben Sie vorher mit dem Komponisten gesprochen?

Anfangs habe ich einzelne Abschnitte des Konzerts per E-Mail bekommen, mit Fotos der von Gerald handgeschriebenen Solo-Parts. Ich habe dann mit Ausdrucken davon gearbeitet, bis zu dem aufregenden Tag, an dem eine gedruckte Version tatsächlich per Post eintraf.  Gerald und ich kommunizierten viel per E-Mail und WhatsApp, um technische Details, musikalischen Ausdruck, Farben usw. zu besprechen.

Ich nahm mich auch selbst beim Spielen auf und schickte ihm Videos, damit er sie kommentieren konnte. Außerdem besuchte ich Gerald im Februar für ein paar Tage in Dublin, um an dem Stück zu arbeiten. Wir haben uns prächtig verstanden. Tatsächlich hätte ich fast sein Haus in Brand gesteckt, als ich versehentlich seinen Wasserkocher auf einem Gasherd erhitzte.

Der verbrannte Teekessel
(Foto: Matthew McDonald)

Was war das Erste, was Ihnen in den Kopf kam, als Sie die Partitur zur Uraufführung gesehen/gelesen haben?

Ich glaube, es war ein ganzer Cocktail von Gedanken: »Das sieht toll aus.« »Wie soll ich das jemals spielen?« Außerdem ist das Konzert voller einzigartiger und lebendiger Ausdrucksrichtungen: Rausch, ekstatisch, betrunken, gespenstisch, begeistert, Achterbahn, und viele mehr. Die Worte selbst gaben mir ein starkes Gefühl für den emotionalen Fahrplan des Konzerts, noch bevor ich die Noten wirklich kannte.

Haben Sie die Noten sofort angespielt oder sich zunächst eingelesen?

Ich habe das Konzert anfangs ziemlich oft durchgespielt, um mich mit seiner Sprache und seinem Stil vertraut zu machen, wobei ich die schwierigsten Stellen übersprungen habe. Es ist ein bisschen so, wie wenn man einen Menschen kennenlernt. Am Anfang verbringt man mehr Zeit mit der lustigen Seite, aber irgendwann muss man die schwierigen Seiten akzeptieren, sich ihnen stellen und einen Weg finden. 

Können Sie uns etwas zur Film- bzw. Opernvorlage des  Konzerts sagen? Worum geht es in der Musik?

In Rainer Werner Fassbenders Film Die bitteren Tränen der Petra von Kant und Gerald Barrys gleichnamiger Oper ist Petra ein zutiefst unvollkommenes menschliches Wesen, das sich in eine junge Frau namens Karin verliebt. Petras Verliebtheit ist echt und intensiv, wird aber von den narzisstischen Aspekten ihres Charakters überschattet. Sie verwechselt schließlich Intimität mit Besitz und vertreibt Karin und alle anderen in ihrem Leben. Die Musik des Konzerts korrespondiert mit der Szene, in der Petra Karin kennenlernt und sie kurz darauf bittet, bei ihr einzuziehen. Unberechenbar, gewalttätig, zärtlich, leidenschaftlich – dieses Konzert verpackt die Extreme der menschlichen Natur.

Matthew McDonald und Gerald Barry in Dublin
(Foto: Matthew McDonald )

Was ist aus Ihrer Sicht das besondere an einem Konzert für Kontrabass und Orchester? Was kann das Instrument leisten, was andere nicht können?

Jeder, der Geschichten über menschliches Ringen oder die Überwindung großer Hindernisse liebt, wird ein Kontrabasskonzert lieben! Der Kontrabass ist das körperlich anspruchsvollste Instrument in der Streicherfamilie.

In diesem Konzert habe ich unzählige Intervalle, bei denen ich meine linke Hand über zwei Meter bewegen muss. Ein Basskonzert hat etwas Berauschendes. Es gibt eine riesige Bandbreite von tiefen bis sehr hohen Tönen, und die Palette der Farben ist enorm.

Das tiefe Register verleiht dem Konzert eine gewisse Melancholie, aber der Bass ist auch zu Brillanz und Leichtigkeit fähig, wenn man ihn nett fragt. Der Bass ist ein Instrument, in das man seinen ganzen Körper stecken kann und muss. Das ist eine aufregende Sache, die man auf der Bühne erleben kann.

Sie müssen an einer Stelle offenbar auch pfeifen? Haben Sie das speziell geübt?

Ich habe das Pfeifen mit großer Disziplin und Begeisterung geübt. Neulich bin ich an einem stillen Nachmittag auf dem Tegeler See Stand-Up-Paddle gefahren und habe die ganze Zeit die Melodie aus dem Konzert gepfiffen. Ich stelle mir gerne vor, dass ein Segler oder Kajakfahrer im Konzert denkt: »Hey, das kommt mir bekannt vor.«