Von: Saskia Dittrich
ca. 3 Minuten

Eine große Menschenmenge verfolgt ein Freiluftkonzert bei Sonnenuntergang in einem von Bäumen umgebenen Amphitheater, in dem ein weißes Zelt die Bühne bedeckt und Musiker auftreten.
Waldbühne Berlin | Bild: Stephan Rabold

Von heiligen Hirschen bis an den Broadway – die Reise, auf die uns Dirigent Gustavo Dudamel bei den Konzerten in der Waldbühne mitnimmt, verspricht ein musikalisch vielfältiges Abenteuer. Das Programm für das Saisonabschlusskonzert der Berliner Philharmoniker umfasst sieben abwechslungsreiche Werke und Geschichten aus Nord- und Südamerika. Begleiten Sie uns auf diese musikalische Tour durch den Doppelkontinent.

Gabriela Ortiz: »Kauyumari«

Unsere erste Station führt uns nach Mexiko, in das Gebiet des Wixárika-Volkes (auch Huichol genannt). Die mexikanische Komponistin Gabriela Ortiz schuf mit Kauyumari ein einsätziges Werk, inspiriert von der Religion und Musik der Wixárika: Kauyumari ist ein heiliger blauer Hirsch, der als Vermittler zwischen Menschen und Göttern gilt. Für Gabriela Ortiz ist er ein Symbol für Vision und Transformation – und ein musikalischer Reiseführer durch eine Welt jenseits des Sichtbaren. Gustavo Dudamel dirigierte 2021 bereits die Uraufführung des Werks.

Arturo Márquez: »Danzón No. 8«

Wir bleiben in Mexiko und hören erneut Musik, die tief in der Landesgeschichte verwurzelt ist: Arturo Márquez’ bekannteste Komposition ist seine Sammlung an Danzónes. Der Danzón ist ein Tanz, der durch die Kolonialisierung von Frankreich über Kuba nach Mexiko gelangte. Auf Kuba war der Tanz zunächst der weißen Oberschicht in ihren exklusiven Tanzsalons vorbehalten, doch haitianische Geflüchtete und afrikanische Sklaven auf Kuba adaptierten den Tanz und beeinflussten seine heutige Form. Über kubanische Aussiedler fand der Tanz seinen Weg nach Mexiko, wo er heute besonders beliebt ist. 

Aaron Copland: »Old American Songs«

Mit der dritten Station reisen wir zusammen mit Aaron Copland durch die USA der 1950er Jahre. Copland sammelte damals Volkslieder und arrangierte sie liebevoll neu. Dabei entdeckte er eine musikalische Identität jenseits europäischer Vorbilder. Besonders reizte ihn das Schräge und Schrullige: So treffen wir beispielsweise einen trunkenen Farmer, der die Laute seiner Tiere imitiert – ziemlich genau wie bei Old McDonald had a farm, das übrigens älter ist als Coplands Komposition und einer Oper aus dem 18. Jahrhundert entstammt. Americana mit Augenzwinkern.

Evencio Castellanos: »Santa Cruz de Pacairigua«

Eine Kirche, ein Volksfest, ein tropischer Sommer: Der Komponist Evencio Castellanos vertonte 1954 die Kirchweihe von Santa Cruz in seiner Heimat Venezuela – wir sind zurück in Südamerika. Das Stück beginnt mit einem feierlichen Marsch, geht über in einen temperamentvollen Tanz – und endet mit einem musikalischen Feuerwerk, das das Fest in die Nacht hinausträgt.

Roberto Sierra: »Alegría«

Sierra wuchs in Puerto Rico auf, studierte später bei György Ligeti – seine Musik aus europäischer Avantgarde und lateinamerikanischer Volksmusik nennt er selbst »tropicalization«. Alegría (»Freude«) zeigt das auf eindrückliche Weise. Das Werk ist farbenreich orchestriert und äußerst rasant. Wenn Sierra in der Partitur dann an einer Stelle fordert, ein Muster so schnell wie möglich zu spielen – ungeachtet vom Rest der Orchesters – dann bricht sich die unbändige, mitreißende Freude so richtig Bahn. 

Duke Ellington: »Three Black Kings«

Wir kehren zurück in die USA – zur sechsten Station unserer Reise: Three Black Kings ist das letzte von über 2000 Werken des weltberühmten Jazzmusikers Ellington. Dass Ellington auch symphonische Werke schuf, ist weniger bekannt. Außerdem schrieb er Filmmusik und begann sogar eine Oper zu komponieren. Zu seinen Einflüssen zählte er daher auch klassische Komponisten wie Claude Debussy oder Maurice Ravel. Three Black Kings ist eine Hommage an drei »schwarze Könige«: den biblischen Melchior, den spanischen König Balthasar – und im dritten Satz Martin Luther King. Der Satz blieb unvollendet; Ellingtons Sohn Mercer vollendete ihn nach dem Tod des Vaters.

Leonard Bernstein: Symphonische Tänze aus der »West Side Story«

Für das große Finale treffen sich die beiden Amerikas in Bernsteins berühmtem Musical West Side Story. In dieser Romeo-und-Julia-Adaption muss das Liebespaar keine Familienrivalität überwinden, sondern soziale und ethnische Konflikte zwischen zwei Jugendbanden – zwischen puerto-ricanischen Einwanderern und weißen Amerikanern. Die Symphonischen Tänze zeigen dabei New York als brodelnden Schmelztiegel: mit Mambo, Jazz, Chaos, Hoffnung.