Der unbekannte Verdi

9 Fakten zum Komponisten, die Sie (vielleicht) noch nicht kannten

Giuseppe Verdi, 1900/1910
(Foto: Desconegut (Urheber), Girona City Council, Spanien - Public Domain, via Europeana)

»La donna è mobile« können Sie im Schlaf mitsummen, und natürlich wissen Sie, dass Aida, Rigoletto und Nabucco keine italienischen Rebsorten sind. Wussten Sie aber, dass der weltberühmte Opernkomponist Giuseppe Verdi auch Weinbauer, Abgeordneter und leidenschaftlicher Foodie war? Wir haben ungeahnte Facetten und Fakten zum Komponisten gefunden.

1. »Ich weiß nicht, ob das Quartett schön ist oder nicht,
aber ich weiß, dass es ein Quartett ist.«

Erst im Alter von 60 Jahren schrieb Verdi sein erstes und einziges Streichquartett; angeblich aus Langeweile, weil er seine Arbeit an Aida unterbrechen musste. In einem Hotelzimmer in Neapel entstand so sein einziges Streichquartett, obwohl er eigentlich davon überzeugt war, dass die Instrumentalmusik eine »Sache der Deutschen und das Streichquartett eine Pflanze sei, der das italienische Klima nicht bekommt«. Dennoch präsentierte er sein Werk am Abend des 1. April 1873 (ein Aprilscherz?) bei einem Abendessen vor Freunden, die er noch verschämt darum bat, nicht einzuschlafen. Die Gäste verlangten am Ende jedoch sogar eine Wiederholung. Verdi konstatierte: »Ich weiß nicht, ob das Quartett schön ist oder nicht, aber ich weiß, dass es ein Quartett ist.« Minimalanforderung erfüllt.

2. Schicksalsschläge und ein Flop

Fast wäre die Musikwelt um zahlreiche Opernmeisterwerke und Ohrwürmer ärmer. In seinen 30er Jahren verfiel Verdi in eine Depression, nachdem innerhalb von zwei Jahren seine geliebte Frau Margherita und seine zwei kleinen Kinder gestorben waren. Als dann auch noch seine Oper Un giorno di regno floppte, schwor er angeblich nie wieder zu komponieren. Theatermanager und Librettist Bartolomeo Merelli konnte ihn jedoch umstimmen. Es folgte Verdis erster Welthit: Nabucco.

3. Verdi vs. Wagner

Auch aus Aida wäre beinahe nichts geworden. Denn Verdi lehnte den Auftrag für eine Oper um die Geschichte der äthiopische Königstocher zunächst ab. Erst als er erfuhr, dass man das Werk Richard Wagner anbieten würde, sagte er zu. Obwohl sie die einflussreichsten Opernkomponisten ihrer Zeit waren und sich niemals persönlich begegneten, pflegten Verdi und Wagner eine gewisse Abneigung gegeneinander. Verdi über seinen Rivalen: »Er wählt immer, unnötigerweise, den unbetretenen Weg, versucht zu fliegen, wo ein vernünftiger Mensch mit besseren Ergebnissen gehen würde.«

4. Giuseppe und Giuseppina

1839 lernt Verdi die äußerst erfolgreiche Opernsängerin Giuseppina Strepponi kennen, die finanziell schon so unabhängig war, dass sie die Ausbildung ihrer drei Geschwister finanzieren und ihre Mutter unterstützen konnte.

Die beiden führten in Paris und Italien zunächst eine wilde Ehe, heirateten dann aber. Die Verbindung hatte ihre Krisen nicht zuletzt durch ein wahrscheinlich nicht nur platonisches Verhältnis Verdis mit der Primadonna Teresa Stolz. Während der Arbeit an Otello (Verdis vorletzter Oper) kam es schließlich zur Aussöhnung.

Giuseppina erwies sich als verlässliche Partnerin und verhandelte zum Beispiel in London für ihren Mann. Der ungarische Schriftsteller Dezső Szomori urteilte über eine Begegnung mit den Verdis 1894: »Ein schönes und bezauberndes Paar, das zusammen in der Welt der Musik alt geworden ist.«

Giuseppina Strepponi
(Foto: Museo Casa Barezzi, Busseto)

5. Verdi, der Politiker

Verdis Opern können durchaus politisch interpretiert werden – was viele Zeitgenossen auch taten. Entsprechend versuchten die Zensoren regelmäßig, in seine Werke einzugreifen. Dennoch kann bis heute nicht einwandfrei belegt werden, wie sehr Verdi politisch tatsächlich interessiert war. 1861 wurde er immerhin als Abgeordneter in das neue italienische Parlament in Turin gewählt, dem er bis 1865 angehörte.

6. Viva Verdi

Politisch war der Name Verdi dennoch: In den Jahren der italienischen Einheitsbewegung Risorgimento wurde er sogar als Chiffre benutzt. »Viva Verdi« ergab aufgelöst »Viva Vittorio Emanuele Re d’Italia« (»Es lebe Viktor Emanuel, König von Italien«). Vittorio Emanuel II., seinerzeit König von Sardinien-Piemont, wurde Leitfigur der Einigungsbewegung. Mit dieser Parole konnten Anhänger dem König huldigen. 

7. Der Bauer von St. Agata

Verdi kokettierte gerne damit, dass er ja eigentlich ein »Opernbauer« sei und das einfache Landleben bevorzuge. Nach seinen ersten finanziellen Erfolgen baute er sich die Villa Sant’Agata in der Nähe seines Geburtsortes Busseto und ging dort leidenschaftlich der Landwirtschaft nach: Er züchtete Pferde, pflanzte Wein und ließ noch heute existierende Teiche in Form seiner Anfangsbuchstaben G und V anlegen.

8. Verdi, der Foodie

Der weltbekannte Komponist Verdi war offenbar das, was wir heute einen Foodie nennen würden. In zahlreichen Briefen schrieb er über seine Leidenschaft für Essen, gab Kochtipps, sprach über Rezepte und Anekdoten aus der Küche. Freunden schickte er quasi als Botschafter seiner Region Schinken und Käse und organisierte Lunches in seiner Villa. Seine persönliche Spezialität war Risotto alla Milanese.

Casa di riposo Giuseppe Verdi
(Foto: Paolobon140, CC-BY-SA-3.0)

9. Casa Verdi

»Unter meinen Werken, die mir am besten gefallen, ist das Haus, das ich in Mailand gebaut habe, um alte Gesangskünstler zu empfangen.« 1889 gibt Verdi den Bau eines Altersheims für verarmte Musiker in Auftrag. Mit ca. 50 Jahren war Verdi selbst finanziell so unabhängig, dass er sich hätte zur Ruhe setzen können. Da er sich offenbar auch an andere Zeiten erinnern konnte, engagierte er sich stark sozial und organisierte Armenspeisungen. Sein Altersheim, die Casa Verdi, beherbergt übrigens noch heute Künstlerinnen und Musiker.

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