Berliner Philharmoniker
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Sergiu Celibidache

Die Zusammenarbeit zwischen Sergiu Celibidache und den Berliner Philharmonikern begann am 29. August 1945, im einem der tragischsten Momente der Orchestergeschichte. Das angestammte Haus, der Konzertsaal in der Bernburger Straße, lag zerbombt in Schutt und Asche, Chefdirigent Wilhelm Furtwängler durfte, auf sein Entnazifizierungsverfahren wartend, nicht dirigieren und Interimsdirigent Leo Borchard war wenige Tage zuvor versehentlich von einem amerikanischen Wachposten erschossen worden. 

Das verwaiste Orchester suchte händeringend nach einem Leiter, der die bereits geplanten Konzerte übernehmen konnte. Von den großen Dirigenten stand keiner zur Verfügung und so erhielt ein junger, unbekannter Hochschulabsolvent, der gerade den Dirigentenwettbewerb des Rundfunkorchesters gewonnen hatte, seine große Chance: Sergiu Celibidache. Der damals 33-jährige Rumäne, Schüler von Heinz Tiessen und Walter Gmeindl sowie ein großer Bewunderer Furtwänglers, besaß wenig Erfahrung, aber Talent, Ehrgeiz und Charisma.

Genialischer Feuerkopf

Bei seinem Antrittskonzert dirigierte er Rossinis Ouvertüre zum Barbier von Sevilla, Webers Fagottkonzert mit dem philharmonischen Solo-Fagottist Oskar Rothensteiner als Solist und Antonín Dvořáks Symphonie Aus der neuen Welt. Das war der Anfang einer intensiven, fruchtbaren Zusammenarbeit. Celibidache lenkte das Orchester engagiert und ambitioniert durch die schwierige Nachkriegszeit und legte dabei den Grundstein für seine eigene Karriere.

Die Philharmoniker und der Dirigent bespielten ganz unterschiedliche Berliner Orte, den Titania-Palast in Steglitz, den Hockey-Club in Dahlem, die Städtische Oper oder den Sendesaal im Haus des Rundfunks, sie gaben Konzerte für die alliierten Truppen und das einheimische Publikum, gingen gemeinsam auf Tournee. Der Neuling, der wegen seines exaltierten, manieristischen Dirigierstils von der Presse auch bespöttelt wurde, erarbeitete sich mit den Orchester ein breites Repertoire: Haydn, Mozart, Beethoven, Brahms, Tschaikowsky, Mendelsohn Bartholdy, Wagner, französische und russische Komponisten – beispielsweise dirigierte Celibidache im Dezember 1946 die deutsche Erstaufführung von Dmitri Schostakowitschs Siebter Symphonie, der sogenannten Leningrader.

Entfremdung

Das Verhältnis zwischen Orchester und Dirigent blieb jedoch nicht frei von Konflikten. Celibidaches kompromisslose, fordernde Probenarbeit, seine oftmals despotische Art erregte den Unmut vor allem der älteren Orchestermusiker. Hinzu kam, dass Wilhelm Furtwängler, als dessen Statthalter der Rumäne eingesetzt war, nach seiner Entnazifizierung 1947 an das Pult der Philharmoniker zurückkehrte und 1952 wieder das Chefdirigentenamt übernahm, während Celibidache immer mehr Einladungen ins Ausland erhielt. Die Zahl seiner Konzerte in Berlin reduzierte sich erheblich. 

Im November 1954 stand er für lange Zeit zum letzten Mal am Pult der Philharmoniker, er dirigierte das Brahms-Requiem, dessen Interpretation sich – wie die Presse attestierte – »beträchtlich von aller herkömmlichen Gestaltungsweise« unterschied, und ein Programm mit Werken von Maurice Ravel, Heinz Tiessen und Béla Bartók. Genau einen Tag nach seinem letzten Konzert starb Wilhelm Furtwängler. Trotz der glanzvollen, überzeugenden Aufführungen erwiesen sich die Unstimmigkeiten zwischen Orchester und Dirigent jedoch als so groß, dass nicht er, sondern Herbert von Karajan als Nachfolger Furtwänglers bestimmt wurde. Celibidache zog sich gekränkt zurück und schlug jedes Angebot für eine weitere Zusammenarbeit aus.

Triumphale Rückkehr

Erst 38 Jahre später gab es ein Comeback: Bundespräsident Richard von Weizsäcker lud den Dirigenten 1992 ein, zwei Benefizkonzerte zugunsten von Kinderheimen in Rumänien zu leiten. Celibidache, mittlerweile Chef der Münchner Philharmoniker, kam und setzte Bruckners Siebte Symphonie auf das Programm, das einzige Werk des österreichischen Komponisten, das der Dirigent in den Anfangsjahren mit den Philharmonikern aufgeführt hat. Doppelt soviel Proben wie üblich hatte sich Celibidache für die beiden Sonderkonzerte ausbedungen, die zu den Sternstunden der Orchestergeschichte gehören.

 In dem Film The Triumphant Return, der die Probenarbeit zu diesen Konzert dokumentiert, bekannte Celibidache die Berliner Philharmoniker hätten in seinem Leben eine »determinierende Rolle« gespielt. Hier durfte er seine ersten »menschlichen und musikalischen Erfahrungen« machen. Die Dokumentation sowie der Mitschnitt des Benefizkonzerts vom 31. März 1992 gibt es im Konzert-Archiv der Digital Concert Hall.