Autor*in: Nicole Restle
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Zubin Mehta | Bild: Wilfried Hösl

60 gemeinsame Jahre – Zubin Mehta und die Berliner Philharmoniker können auf eine lange künstlerische Freundschaft zurückblicken. »Ich habe mittlerweile die Ehre, drei Musikergenerationen von Berliner Philharmonikern dirigiert zu haben. Das Orchester hat sich zwar in all den Jahren weiter entwickelt, aber der tiefverwurzelte, herrliche, substanzvolle Klang blieb erhalten«, meint der Dirigent, der seit seinem philharmonischen Debüt am 18. September 1961 nahezu jährlich bei dem Orchester zu Gast ist.

An sein Debüt, das im Konzertsaal der Hochschule der Künste (heute Universität der Künste) stattfand, kann sich Mehta noch gut erinnern. Er dirigierte neben Gottfried von Einems Orchestermusik op. 9 und Robert Schumanns Cellokonzert auch die Erste Symphonie von Gustav Mahler, ein Werk, das er damals zum ersten Mal aufführte.

»Mein Vorteil war«, schmunzelt er, »dass das Orchester das Stück auch nicht so gut kannte. Damals gehörten die Kompositionen Mahlers noch nicht zum Kernrepertoire der Symphonieorchester.« Das tiefe Verständnis für dieses Werk erhielt Zubin Mehta von Bruno Walter, dem früheren Assistenten Mahlers, mit dem er die Partitur gründlich erarbeitet hat.

Nach seinem philharmonischen Einstand wurde er von der Presse als »Entdeckung aus Indien« gefeiert, als der »kommende Mann seiner Altersklasse«. Welch prophetische Worte!

Musikalischer Botschafter

Zubin Mehta, der in Bombay in eine Musikerfamilie hineingeboren wurden, stand zu jener Zeit am Anfang einer beispiellosen Karriere, die ihm verschiedene renommierte Chefpositionen bescherte: bei dem Orchestre Symphonique de Montréal, dem Los Angeles Philharmonic (1962 bis 1978), den New Yorker Philharmonikern (1978 bis 1991), an der Bayerischen Staatsoper (1998 bis 2006) und beim Maggio Musicale in Florenz (1985 bis 2017).

Schicksalhaft wurde für ihn, als er als Einspringer für den erkrankten Eugene Ormandy erstmals das Israel Philharmonic Orchestra dirigierte. Mehta und die Musiker entbrannten sofort füreinander, gleichzeitig erlebte der Dirigent hautnah die politischen Konflikte in Israel und versteht seither seine künstlerische Arbeit auch als Mittel der Völkerverständigung. 1969 wurde er Berater, 1977 Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra, schließlich 1981 Musikdirektor auf Lebenszeit. Gemeinsam mit dem Israel Philharmonic Orchestra engagiert sich Zubin Mehta für den musikalischen Nachwuchs. Die von ihm initiierte Buchmann-Mehta School of Music in Tel Aviv fördert die begabtesten Musikstudenten des Landes.

Wiener Lehrjahre

Den Grundstein für seine Karriere hatte Mehta in Wien gelegt. Nicht allein, dass er dort während seines Studium bei Hans Swarowsky an der Wiener Musikakademie das notwendige Rüstzeug für seinen Beruf erwarb, er hatte dort auch Gelegenheit, große Dirigenten wie Bruno Walter, Herbert von Karajan oder Karl Böhm bei der Arbeit beobachten zu können.

Er schloss Freundschaften mit Daniel Barenboim und Claudio Abbado, die, wie er, damals zu den aufstrebenden Talenten zählten. Die Zeit in Wien bezeichnet Mehta als eine der wichtigsten Phasen seines Lebens, denn er konnte dort ein berufliches und menschliches Netzwerk knüpfen, das für den späteren künstlerischen Erfolg entscheidend wurde.

Schon damals wurden die Weichen Richtung Berlin gestellt: So wurde Herbert von Karajan, der damalige Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, sein Mentor. Außerdem schloss er Freundschaft mit Claudio Abbado, dem späteren philharmonischen Chefdirigenten.

»Wir waren wie Brüder«, erinnert sich Mehta. Allein in den zwölf Jahren von Abbados Amtszeit dirigierte Zubin Mehta 61 Konzerte bei den Berliner Philharmonikern und als der Chefdirigent 2014 starb, leitete er das Gedenkkonzert für den Freund.

Beeindruckende Konzerte

Doch nicht nur dieses Konzert sticht heraus. Dirigent und Orchester haben gemeinsam viele großartige Momente erlebt: das Konzert zu Igor Strawinskys 80. Geburtstag, eine konzertante Aufführung von Richard Strauss‘ Salome und vor allem – das bislang wohl emotionalste Ereignis – ein Konzert in Tel Aviv während der ersten Israelreise 1990, bei dem Musiker der Berliner Philharmoniker und des Israel Philharmonic Orchestra Seite an Seite sitzend unter der Leitung Mehtas spielten.

In der langjährigen Zusammenarbeit gelingt es Zubin Mehta, der im Februar 2019 Ehrenmitglied der Berliner Philharmoniker wurde, immer wieder, mit Neuem zu überraschen, indem er selten zu hörende Werke wie beispielsweise das Zwischenspiel aus der Oper Notre Dame von Franz Schmidt, Ravi Shankars Konzert für Sitar und Orchester Nr. 2 oder Peter Eötvös‘ Speaking Drums mit dem Schlagzeuger Martin Grubinger auf das Programm setzt.

Weitere Höhepunkte der letzten Jahre waren Verdis Oper Otello als Neuproduktion bei den Osterfestspielen in Baden-Baden und konzertant in Berlin sowie die Japan-Tournee mit dem Orchester im November 2019.