Von: Bjørn Woll
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Junger Mann mit blondem Haar und leichtem Bart, in einem hellgrauen Sakko mit schwarzem Shirt, vor einer strukturierten Betonwand. Sein Blick geht leicht zur Seite.
Thomas Guggeis | Bild: Simon Pauly

Was braucht es, wenn man als Dirigent bei den Berliner Philharmonikern sein Debüt gibt? Thomas Guggeis, seit zwei Jahren Generalmusikdirektor an der Oper Frankfurt, hat da ein Rezept: genaue Kenntnis der Partitur, dirigentisches Handwerk und »Respekt vor den unglaublichen Einzelkünstlern in einem solchen Orchester sowie vor dessen Klangtradition«.

»Ich finde es gut, dass wir uns Zeit gelassen haben mit diesem Konzert«, sagt der 1993 im oberbayerischen Dachau geborene Thomas Guggeis. »So hatte ich Zeit, mehr Erfahrungen zu sammeln, zu wachsen und bestmöglich auf mein Debüt-Programm vorbereitet zu sein.« Dabei sind ihm Orchester und Saal schon länger vertraut: »Während meiner sieben Jahre in Berlin habe ich die Philharmoniker in vielen Konzerten und Proben erlebt, habe gespürt, wie sie ticken und wie unterschiedlich sie auf verschiedene Dirigenten reagieren.« 

Die Zeichen stehen also gut, wie Berlin ohnehin ein gutes Pflaster für Thomas Guggeis ist. Hier gelang ihm 2018 sein spektakulärer Durchbruch, als Christoph von Dohnányi, der für den erkrankten Zubin Mehta eingesprungen war, seinerseits wenige Tage vor der Premiere absagte. Thomas Guggeis, damals Korrepetitor an der Staatsoper, erfuhr nur wenige Stunden vor der Premiere vom Rückzug Dohnányis – und sprang mit 24 Jahren für den 88-jährigen Maestro ein. Wie der Zufall es wollte, saß auch der umtriebige Frankfurter Opernintendant Bernd Loebe im Publikum, der das »singuläre Talent« schließlich als Generalmusikdirektor an die Oper Frankfurt holte.

Mentor Daniel Barenboim

Was sich im ersten Moment wie ein märchenhafter Aufstieg liest, fußt auf einer organischen und wohlüberlegten Entwicklung. Angefangen hat er als Korrepetitor, 2016 wurde Thomas Guggeis Assistent von Daniel Barenboim, später dann Staatskapellmeister der Linden-Oper. Barenboim nennt er dann auch als prägenden Mentor »auf ganz unterschiedlichen Ebenen: Wie man probt, oder wie man ein komplexes Haus leitet. Wir haben aber auch viel über Philosophie in der Musik gesprochen, über die Hierarchie der einzelnen Bestandteile. Für ihn stand die Harmonie immer auf der höchsten Stufe, dann folgten Melodie und Rhythmus.«

Das Interesse für die Form und den Inhalt wurde indes schon von seiner ersten Klavierlehrerin gefördert, mehr noch als das Streben nach technischer Perfektion auf dem Instrument. Die Liebe zur Oper wurde später von einem seiner Hochschullehrer befeuert, der stellvertretender Studienleiter der Bayerischen Staatsoper in München war. 

Dort hat er nicht nur Musik, sondern zur gleichen Zeit auch Physik studiert. »Gottseidank lagen die beiden Fakultäten nur 300 Meter auseinander, ich konnte also schnell von einer zur anderen radeln«. Heute muss Thomas Guggeis nicht mehr auf dem Campus hin- und herfahren, er kann sich ganz auf die Musik konzentrieren. Das tut er, typisch für ihn, reflektiert, sorgfältig und wohlüberlegt.

Debüt mit vertrauten Werken

Bei der Vorbereitung auf sein Debüt bei den Berliner Philharmonikern spielen für ihn vor allem zwei Faktoren eine Rolle: »Die größtmögliche Kenntnis der Werke: Also genau zu wissen, was in der Partitur steht, und das nötige dirigentische Handwerk, um das gemeinsam mit dem Orchester erzählen zu können. Und der Respekt vor den unglaublichen Einzelkünstlern in einem solchen Orchester sowie dessen Klangtradition.«

Mit Richard Strauss steht am Anfang seines Konzerts ein Komponist, »der neben Wagner eine große Rolle in meinem Repertoire einnimmt«. Bewusst hat er sich für sein Debüt Werke ausgesucht, mit denen er bereits vertraut ist. Anfang des Jahres hat er in Bergen genau dieses Programm schon mal vor Publikum ausprobiert. Auch dort war in Henri Dutilleux‘ Tout un monde lointain ... der Cellist Maximilian Hornung dabei, der nun ebenfalls sein Debüt bei den Berliner Philharmonikern geben wird. »Als ehemaliger Solocellist des BR-Symphonieorchesters weiß er genau, wie ein Orchester reagiert«, schwärmt Thomas Guggeis. »Das hilft bei einem rhythmisch so komplexen Stück, gut zusammenzuspielen.«

Erneut also gute Vorzeichen für einen spannenden Konzertabend. Und nach getaner Arbeit freut sich der Sohn eines bayrischen Brauereidirektors dann auf ein Glas Bier. »Das ist so ein kleines Ritual von mir. Manchmal bringt der Orchesterwart das Bier sogar ans Inspizientenpult, bevor man wieder auf die Bühne geht, um sich zu verbeugen«, erzählt er lachend. Vielleicht lesen’s ja auch die Orchesterwarte in Berlin.