Von: Oliver Hilmes
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Allan Nilles steht in einem Musikstudio, hält einen Pad-Controller und lächelt. Im Raum befinden sich verschiedene Audiogeräte, ein Computer, Keyboards, ein Schlagzeug und ein Basketball-Poster an der Wand.
Bild: Jordis Antonia Schlösser / OSTKREUZ

In dieser Rubrik stellen wir Berliner Philharmoniker und ihre außermusikalischen Leidenschaften vor. Heute, der Bratscher Allan Nilles, der sich ein Alter Ego geschaffen hat.

Wissen Sie, was elektroakustischer Art-Pop ist? Falls nicht, haben Sie vermutlich noch nie die Musik von Ayjay Nils gehört. Der 35-Jährige stammt aus Chicago, lebt aber seit über zehn Jahren in Berlin. Die Besucherinnen und Besucher der philharmonischen Konzerte kennen ihn unter dem Namen Allan Nilles, denn er ist Mitglied der Bratschengruppe der Berliner Philharmoniker. Doch der Reihe nach. 

Ein Nachbar rät Allan Nilles’ Eltern, ihre Kinder möglichst früh ein Instrument lernen zu lassen – das erhöhe die Chance, später ein Stipendium für Harvard oder Yale zu ergattern. Aus diesem Grund erhält Allan Nilles bereits mit drei Jahren Bratschenunterricht. Die Entscheidung der Eltern führt ihn zwar nicht an eine Eliteuniversität, aber an die nicht minder renommierte New Yorker Juilliard School, wo er bei Heidi Castleman und Misha Amory studiert. Um sich künstlerisch weiterzuentwickeln, nimmt Allan Nilles 2013 an der Lucerne Festival Academy teil und wird im Januar 2015 Stipendiat der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker. Nur einen Monat später gewinnt er das Probespiel für die Bratschenstelle des Orchesters, die er im Mai 2015 antritt. So weit, so gut. 

Als die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 ausbricht und der erste Lockdown verhängt wird, sind viele Künstler und Musiker auf einen Schlag zur Untätigkeit verdammt. Allan Nilles erinnert sich in dieser Situation an seinen Kompositionsunterricht an der Juilliard School und er fängt an, mit Samplings zu experimentieren. Sampling beschreibt die Verwendung bereits vorhandener Musik in einem neuen Werk. Als ein paar Songs fertig sind, präsentiert Allan Nilles sie seiner Frau. Sie ist es, die ihn daraufhin ermutigt, weiterzumachen und ein Album zu veröffentlichen. Aus Allan Nilles wird Ayjay Nils. 

Ob er sich als Komponist betrachtet, möchte ich von Ayjay wissen. Er zögert. »Vermutlich bin ich eine Mischung aus Komponist und Producer«, sagt er lächelnd. »Am Sampling faszinieren mich die grenzenlosen Möglichkeiten, über die man als Künstler verfügt.« Von Wagner-Opern bis hin zum Miauen von Katzen, die Unzucht treiben – er nutze eigentlich alles, um die Schönheit des Klanguniversums zu feiern. 

Vor zwei Jahren, in Japan, wird Allan Nilles mit einer Menge Abfall konfrontiert, Plastikflaschen, Kunststoff-folien, Essstäbchen, unnötige Verpackungen ohne Ende. Anstatt sich darüber zu ärgern – was er natürlich hätte tun sollen, wie er gesteht –, nimmt er mit diesem Müll so viele Sounds wie möglich auf und verarbeitet sie dann zu einem Remix mit dem Titel BANG BANG BANG BANG. 

Kollaborationen liegen Ayjay Nils besonders am Herzen. Mit der in Berlin ansässigen Band Move 78, deren charakteristischer Sound eine Balance zwischen frei fließendem Jazz und Hip-Hop findet, hat er ebenso musiziert wie mit dem Pianisten Tom Schneider. Zuletzt ist er mit seinem Orchesterkollegen, dem Flötisten Egor Egorkin, beim philharmonischem »Ausklang« aufgetreten. Und mit seinem Freund Stefano Di Puma, einem italienischen Schlagzeuger, hat Ayjay unlängst die Band Plastic Pigs gegründet. 

Bei alledem ist Allan Nilles’ Bratsche immer dabei. Er liebt es, deren dunkle Klänge elektronisch zu modulieren und in seine eigenen Kompositionen zu integrieren. Dabei befruchten sich die verschiedenen Sphären seines Musizierens gegenseitig. Seitdem er sich mit elektronischer Musik beschäftigt, gewinnt er ganz neue Perspektiven auf sein kammermusikalisches Spielen. Als er kürzlich wiederum in einer Mahler-Symphonie ein bestimmtes Hornmotiv hörte, habe er darin sofort eine gute Vorlage zum Sampeln erkannt, verrät Allan Nilles. Oder spricht da eher Ayjay Nils?