Von: Benedikt von Bernstorff

Entstehungszeit: 2017-2018
Uraufführung: 22. März 2019 in der Philharmonie im Gasteig, München, durch die Münchner Philharmoniker; Dirigent: Valery Gergiev
Dauer: 20 Minuten

Bei den Berliner Philharmonikern:
erstmals am 30. Mai 2025 in der Philharmonie Berlin

Wolfgang Rihms Orchesterwerk Transitus III wurde 2019 von den Münchner Philharmonikern zum Jubiläum ihres 125. Bestehens uraufgeführt. Die vorausgegangene Komposition Transitus erlebte ihre Premiere fünf Jahre zuvor, anlässlich des 150. Geburtstags von Richard Strauss in Mailand – das offenbar geplante Mittelstück bildet eine Lücke, die sich nach Rihms Tod nun nicht mehr schließen wird. Rihm hat sein Interesse an Strauss’ Tonsprache im Zusammenhang mit beiden Transitus-Werken beschrieben. Die Virtuosität der Instrumentierung, für die der Komponist oft gefeiert wird, sei »kein Wert an sich«, vielmehr gelte: »Erst durch ihre energetische Ladung und deren Strömen entscheidet sich die Qualität eines Musikwerks. In seinen besten Momenten gibt es bei Strauss einen unvergleichlichen Sog des unablässigen Fließens.«

Auf diese Idee verweist auch der Begriff des musikalischen Übergangs, wie man das lateinische Wort Transitus übersetzen kann. Er lässt sich als Anknüpfung an Richard Wagners Idee der »unendlichen Melodie« und an die ununterbrochenen, einsätzigen Tondichtungen von Richard Strauss verstehen. Titel anderer Werkgruppen Rihms wie Vers une symphonie fleuve oder Verwandlung bezeichnen auf ähnliche Weise Elemente und Prozesse, die die Formgebung und Dramaturgie seiner Musik bestimmen. Die Neigung des Komponisten zu mehrteiligen Zyklen steht im Dienst der Idealvorstellung, »nur an einem einzigen Stück zu arbeiten«, von dem die Einzelwerke gewissermaßen Ausschnitte darstellen.

Transitus III beginnt mit prägnanter Gestik: Die Streicher intonieren erst ein aufsteigendes, dann ein fallendes Motiv. Anschließend entsteht eine Klangfläche aus gedämpften Blechbläsertönen, aufsteigenden Linien der Flöten und fragmentarischen Einwürfen einer Solovioline, bevor das Anfangsmotiv entschlossen zurückkehrt. Paukenschläge und fanfarenartige Figuren der Trompeten markieren einen ersten dynamischen Höhepunkt. Von beeindruckender Wirkung ist eine Stelle in der Mitte des etwa 20 Minuten langen Werks: In ihr zwingt das Schlagwerk, das sich bereits im Hintergrund angekündigt hatte, dem Verlauf einen strengen 4/4-Takt auf. Am Ende treibt dann ein gewaltiger Energieschub die Musik nach einer meditativen, von Klangschönheit und melodischen Figurationen der Geigen bestimmten Passage in wenigen Sekunden ins Fortissimo.

Übergänge und Verwandlungen: In Wolfgang Rihms musikalischem Denken vermischen sich zuvor dominante Elemente mit neu hinzutretenden, die nach und nach in den Vordergrund treten. Ebenso können momenthafte energetische Entladungen das Geschehen interpunktieren. Das Wechselspiel zwischen Passivität und Aktivität, zwischen der Hingabe an eine unwillkürliche Intuition und eingreifender Gestaltung hat Wolfgang Rihm wie folgt beschrieben: »Das Werk strukturiert sich selbst und ich muss so sensibel sein, seine Eigenbewegung seismografisch aufnehmen zu können. Nicht indem ich mich dem Geschehen unterwerfe, sondern indem ich das Geschehen wie ein Gärtner pflege.«