Entstehungszeit: 1915-1916
Uraufführung: 11. März 1917 im Teatro Augusteo, Rom, durch das
Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia,
Dirigent: Antonio Guarnieri
Dauer: 18 Minuten
Bei den Berliner Philharmonikern:
erstmals am 20. September 1920, Dirigent: Selmar
Meyrowitz
Am liebsten hätte er gleich wieder seine Sachen gepackt und wäre zurückgekehrt ins heimische Bologna. Als der 34-jährige Ottorino Respighi 1913 auf eine Professur ans Liceo musicale di Santa Cecilia nach Rom berufen wurde, fühlte er sich dort zunächst denkbar unwohl. Alles erschreckte ihn, erschien ihm überdimensioniert und erhaben – verloren kam er sich vor in Anbetracht der vielen Monumente und der großen Geschichte, die ihm auf Schritt und Tritt begegnete. Dennoch sollte ausgerechnet Respighi mit seiner Römischen Trilogie die vielleicht schönste musikalische Hommage an die Ewige Stadt schaffen. Dabei gelang ihm gleichzeitig das Kunststück, die italienische Musik von einem lang lastenden Fluch zu befreien: Er lieferte den Beweis, dass italienische Komponisten nicht nur Opern schreiben, sondern auch symphonisch überzeugen können.
Als erster Teil seiner Römischen Trilogie, einem Zyklus von drei Tondichtungen als symphonische Hommage an die Stadt Rom, entstanden 1915/16 die Fontane di Roma, die »Römischen Brunnen«. Bei diesem Thema konnte Respighi aus dem Vollen schöpfen. Ungezählte Brunnen finden sich in Italiens Hauptstadt, an Motiven gab es also keinen Mangel, und die lautmalerische Darstellung von Wasserspielen galt seit jeher als beliebtes Sujet in der Musik. Doch Respighi belässt es nicht bei der klanglichen Bebilderung von perlenden Tropfen, aufschießenden Fontänen oder herabstürzenden Kaskaden. Seine Porträts von vier Brunnen verbindet er mit derjenigen Tageszeit, »in der ihre Schönheit auf den Betrachter den größten Eindruck macht«. Auch geht es ihm nicht um bloßen Realismus: Respighi wollte »die Empfindungen ausdrücken«, die der Anblick bei ihm weckte – ein impressionistischer Ansatz also.
Der erste Satz beginnt sehr leise mit den gedämpften Streichern und zarten Bläsersoli in der Morgendämmerung. Er ist der Fontana di Valle Giulia gewidmet, die in der Nähe der Villa Borghese liegt, und zeichnet, so Respighi, »eine Hirtenlandschaft in frischfeuchtem Dunst« nach. Dabei scheint sich die Musik weniger zu barocken Pastoralidyllen als in noch fernere Vergangenheit zu neigen, denn Respighi verwendet archaische Quintparallelen und spielt auf die Harmonik alter Kirchentonarten an. Mit einem Hornruf führt er dann am Vormittag ins Zentrum Roms zu einem Barockbrunnen, der dem Meeresgott Triton gewidmet ist. Ihm zu Ehren entfesselt Respighi einen »zügellosen Tanz«, bei dem die Nymphen herbeieilen, sich necken und verfolgen.
Der monumentale Trevi-Brunnen vor dem Palazzo Poli ist der Schauplatz des dritten Satzes, der zur Mittagszeit spielt. Er zeigt den römischen Wassergott Neptun auf einem Wagen, der von Seepferden gezogen wird. Respighi illustriert die Szene mit einer großangelegten dynamischen Steigerung, die sich in mehreren Wellen aufbaut und das Orchester zur volltönenden Entfaltung bringt, ehe es wieder allmählich ins ganz Leise absinkt. Nahtlos schließt sich das poetische Finale an, das aus der Stadt zur Villa Medici rausführt und in die Abenddämmerung hinein. Eine gewisse Schwermut liegt in der Luft, die »von Glockenklang, Vogelgezwitscher und Blätterrauschen erfüllt ist«, wie Respighi anmerkt. »Alsdann erstirbt dies alles sanft im Schweigen der Nacht.«