Von: Carolin Krahn

Entstehungszeit: 1809-1810
Uraufführung: 15. Juni 1810 im k. k. »Theater nächst der Burg« am Michaelerplatz, Wien
Dauer: 45 Minuten

  1. [Egmont] op. 84: Ouvertüre
  2. Lied. »Die Trommel gerühret« (Clärchen). Vivace
  3. Zwischenaktmusik 1: Andante – Allegro con brio
  4. Zwischenaktmusik 2: Larghetto
  5. Lied »Freudvoll und leidvoll« (Clärchen). Andante con moto
  6. Zwischenaktmusik 3: Allegro – Marcia. Vivace
  7. Zwischenaktmusik 4: Poco sostenuto e risoluto
  8. Clärchens Tod bezeichnend: Larghetto
  9. Melodram »Süßer Schlaf! Du kommst wie ein reines Glück«
  10. Siegessymphonie: Allegro con brio

Bei den Berliner Philharmonikern:
erstmals am 17. Februar 1883 im Saal der Sing-Akademie, Dirigent: Martin Blumner, Sopran: Helene Oberbeck, Sprecher: Herr Taubert

»Fehler – Fehler – sie sind selbst ein einziger Fehler … da muß ich meinen Kopisten hinschicken, dort muß ich selbst hin, wenn ich will, daß meine Werke … nicht als bloße Fehler erscheinen … sehn sie in dem Klawierauszuge von Egmont’s overture fehlt ein ganzer Takt – hier das Verzeichniß der Fehler.« Diese deutlichen Worte richtete Ludwig van Beethoven im Mai 1811 an das Leipziger Verlagshaus Breitkopf & Härtel. Beethoven war sich seiner musikhistorischen Bedeutung ebenso bewusst wie der möglichen Tragweite fehlerhafter Veröffentlichungen. Mit entsprechender Hartnäckigkeit wollte er sicherstellen, dass seine im Juni 1810 fertiggestellte Musik zu Johann Wolfgang von Goethes Trauerspiel Egmont in tadellosem Zustand erschien. Zumal der Komponist mit dem Verkauf der Partitur auf ein gutes Geschäft hoffte. Zu dieser Zeit plagten ihn nämlich Finanznöte angesichts von Inflation und ausstehende Zahlungen aus dem Kreis von Wiener Adligen, die ihn seit 1809 finanzierten, um seinen Wegzug aus Wien zu verhindern.

Hinzu kam, dass er Goethe, schon damals das literarische Schwergewicht der deutschen Kultur, unbedingt ein auf Hochglanz poliertes Exemplar seiner Egmont-Partitur zukommen lassen wollte. Allerdings erwies sich das Ganze als nervenaufreibender Prozess. Briefen ist zu entnehmen, dass Beethoven über Monate hinweg seinen Verleger immer energischer drängte, Goethe endlich ein Druckexemplar zu senden, und zwar ein fehlerfreies. Noch im Herbst 1811 empörte sich Beethoven: »wie kann ein deutscher erster Verleger gegen den ersten deutschen dichter so unhöfflich so grob seyn? also geschwinde die Partitur nach Weimar.« Als belesener Künstler, der sich schon jahrelang durch Liedkompositionen intensiv mit Goethes Texten beschäftigt hatte, wusste Beethoven genau um dessen besondere Beziehung zur Musik.

Im zeitlichen Umfeld der Schauspielmusik legte Beethoven zwei Liederzyklen nach Texten von Goethe vor, und auch seine generelle Erfahrung mit vokalen Kompositionen floss in die Bühnenmusik zum Egmont ein. Die Grundlage bildete Goethes Drama von 1787, dessen Hauptfigur nach dem Vorbild des historisch verbürgten Lamoral von Egmond entstand, der Mitte des 16. Jahrhunderts lebte. Brüssel, wo die Tragödie spielt, gehörte zu jener Zeit zu den Niederlanden, wurde aber vom spanischen Regime kontrolliert. Egmont führt gemeinsam mit Wilhelm von Oranien die Adelsopposition im Kampf gegen die spanische Besetzung an, wird gefangen genommen und bezahlt sein Heldentum mit dem Leben. Sein geliebtes Clärchen, eine Bürgerstochter, versucht ihn zu retten. Als dies scheitert, vergiftet sich die junge Frau in ihrer Verzweiflung. Das Drama war von vornherein für eine musikalische Ausgestaltung konzipiert. Goethe griff damit die Idee der griechischen Tragödie aus der Antike auf, die Wort, Musik und Schauspiel kombinierte. Er trug Notizen zur musikdramatischen Gestaltung einzelner Szenen in sein Manuskript ein und sah explizit eine »Siegessymphonie« für das Finale vor.

Bis die Musik zum Schauspiel – ein Kompositionsauftrag des Wiener Hoftheaters – tatsächlich vorlag, vergingen allerdings noch mehrere Jahre. Das Resultat war eine neunteilige Komposition, die von einer Ouvertüre und der von Goethe erdachten Siegessymphonie eingerahmt ist. Dazwischen stehen zwei emotionsgeladene Lieder von Egmonts Geliebter Cläre, vier Zwischenaktmusiken, ein Lied »Clärchens Tod bezeichnend« sowie ein Melodram, das im Wechsel von Sprache und Musik die widerstreitenden Gefühle des Helden Egmont im Angesicht des Todes ausdrucksvoll vermittelt.