Von: Malte Krasting

Entstehungszeit: 1952
Uraufführung: 11. Oktober 1952 bei den Donaueschinger Musiktagen durch das Südwestfunkorchester, Dirigent: Hans Rosbaud, Oboe: Horst Schneider
Dauer: 15 Minuten

  1. Hommage à Strawinsky
  2. Rhapsodie
  3. Finale

Bei den Berliner Philharmonikern:
erstmals am 27. Januar 1972, Dirigent: Reinhard Peters, Oboe: Lothar Koch

Vor jedem Konzert hat sie ihren großen Auftritt: die Oboe, die beim Einstimmen des Orchesters den Ton angibt. Als Protagonistin in Solokonzerten aber kommt sie seltener zum Zuge. Mag ihr Ambitus nicht ganz so groß sein wie jener der Klarinette, ihre Lautstärke nicht an die der Trompete heranreichen, mögen die einzelnen Töne nicht so schnell ansprechen wie bei der Flöte, so ist ihr Klang doch unverwechselbar und höchst wandlungsfähig: Sie kann beseligt singen, sie kann herzbewegend klagen, und sie verkörpert mit ihrem »Hirtenton« die Verbindung von Mensch und Natur. Nicht leicht zu beherrschen, ist sie als Instrument ein wenig aufmüpfig und kapriziös. Vielleicht hat sich Bernd Alois Zimmermann auch deshalb darauf eingelassen, 1952 ein Solokonzert für die Oboe zu komponieren. Die Auftraggeber – der Redakteur Heinrich Strobel vom Südwestfunk, der für das Neue-Musik-Festival in Donaueschingen verantwortlich war, und der Dirigent Hans Rosbaud – waren sich zunächst nicht ganz sicher, ob sie Zimmermann dafür gewinnen könnten. Ihr Wunsch war ein für Horst Schneider, Solooboist des Südwestfunkorchesters, geschriebenes Werk – »denn wir hätten gerne ein wirklich virtuoses Konzert, das dem Spieler Gelegenheit gibt, alle seine Künste zu zeigen«. Und wirklich lässt Zimmermann die Oboe ein Feuerwerk an Spieltechniken und Ausdrucksmöglichkeiten abbrennen. Dabei orientiert er sich nach eigenen Worten am »Typus des 3‑sätzigen Solistenkonzertes« von »vorwiegend heiterer Art«.

Am Beginn steht laut Satzbezeichnung eine Hommage an Igor Strawinsky, der auch im weiteren Werk erkennbarer Bezugspunkt ist. Zimmermann sah Strawinskys Bedeutung für die zeitgenössische Musik »in der Kunst des Weglassens«, und entsprechend schlank hat er sein Stück orchestriert. Die Oboe ändert ständig ihr Gesicht, spielt lange Einzeltöne und gleich darauf schnelle Notenbündel. In direkter Folge wechseln laut und leise, Legato und Staccato, Triller und Sprünge, Attacken und Kantilenen; der Ausdruck gibt sich mal vorwitzig frech, mal nachdenklich versonnen. Das Orchester bleibt oft kurz angebunden, streut trocken hingeworfene Akkorde ein, bildet später auch vibrierende Klangflächen und steuert kleine Aufschwünge bei. Die Oboe steht bei alldem stets im Zentrum. Zimmermanns ironisch gebrochenes Pathos gibt im zweiten Satz, »Rhapsodie«, auch melancholischen Gedanken Raum. Die halsbrecherische Kadenz im Finale mit seinem fast ohrwurmhaft einprägsamen Hauptthema konnte das Uraufführungspublikum nicht hören: Die fügte Zimmermann erst im Jahr darauf hinzu.