Von: Susanne Stähr

Entstehungszeit: 1879-1882
Uraufführung: 14. Oktober 1883 in Prag durch das Orchester des Prager Nationaltheaters, Dirigent: Mořic Anger, Violine: František Ondříček
Dauer: 32 Minuten

  1. Allegro ma non troppo –
  2. Adagio ma non troppo
  3. Finale: Allegro giocoso, ma non troppo

Bei den Berliner Philharmonikern:
erstmals am 31. Mai 1891 unter der Leitung von Felix Weingartner; Violine: Carl Halir

1877 hatte Antonín Dvořák schon vier Opern, fünf Symphonien und acht Streichquartette komponiert – aber die Musikwelt nahm davon kaum Notiz. Stattdessen musste er als Bratschist im Prager Opernorchester jobben und in Kaffeehäusern Unterhaltungsmusik spielen, um sich über Wasser zu halten. Das änderte sich erst, als er sich um ein Staatsstipendium in Wien bewarb und der berühmte Johannes Brahms in der Jury saß. Brahms war von den Talentproben des böhmischen Nobodys so begeistert, dass er sogleich den Kontakt zu seinem Verleger Fritz Simrock herstellte. Für Simrock schrieb Dvořák eine Reihe von Slawischen Tänzen – und damit begann sein Aufstieg zu internationalem Ruhm.

Brahms machte Dvořák auch mit dem berühmten Geiger Joseph Joachim bekannt, für den er selbst gerade ein Violinkonzert geschaffen hatte. Nach diesem Vorbild sollte nun auch Dvořák etwas für Joachim schreiben. Aber die Sache ging gründlich schief. Zwar lieferte Dvořák rasch, doch Joachim hatte so einiges zu bemängeln. Auch die überarbeitete Version schien dem Virtuosen nicht zu gefallen – er meldete sich erst zwei Jahre später wieder, mit weiteren »Verbesserungswünschen«. Dvořák ging erneut darauf ein, ohne Erfolg. Kein einziges Mal hat Joachim das ihm gewidmete Konzert öffentlich aufgeführt.

Was könnte ihn daran gestört haben? Schon gleich am Anfang geht Dvořák unkonventionell vor: Er lässt das Tutti nur vier Takte spielen, wie bei einem Tusch, mit dem der Vorhang aufgezogen wird, und schon setzt präludierend die Solovioline ein. Dieses Wechselspiel wiederholt sich und löst einen freien Flug der Gedanken aus, die sich rhapsodisch aneinanderreihen. Von den Regeln der Sonatensatzform mit ihrem Wettstreit zweier Themen ist dagegen wenig zu finden. Und auf die Solokadenz am Ende des Satzes verzichtet Dvořák vollständig.

Stattdessen leitet er bruchlos zum langsamen Satz über, und zu einer himmlischen Geigenkantilene, die sich über fast zwei Minuten erstreckt. Es ist eine schmerzhaft schöne Musik, die mit ihrer Mischung aus Glück und Trauer betört: wie ein Lächeln unter Tränen. Dass darunter aber etwas brodelt und wühlt, verrät eine kontrastierende Passage, in der die Geige einzelne Töne marcato mit Akzenten versehen muss. Da scheint dann eine innere Last anzuklingen.

Folkloristisch legt Dvořák das Rondo-Finale an. Als Refrain wählt er einen Furiant, einen schnellen böhmischen Volkstanz, dessen Name so viel bedeutet wie »der Rasende«. Großartig ist die zarte Instrumentation: Dieser Furiant scheint über dem Erdboden zu schweben, er wird hoch oben in der Luft getanzt. Als Kontrast zwischen den Refrainstrophen stimmt Dvořák aber elegischere Klänge an, so z. B. in der zweiten Episode, die ein ukrainisches Volkslied präsentiert, eine Dumka, zu Deutsch: »der kleine Gedanke«. Musikalisch jedoch kommt er mit seinem Wechselspiel von Licht und Schatten, von Trauer und Trost, ganz groß rüber. Es ist genau diese Vielfalt an Gefühlen in einem Atemzug, die Dvořáks Musik so einzigartig macht. Die Uraufführung des Konzerts am 14. Oktober 1883 übernahm anstelle von Joseph Joachim Dvořáks Freund František Ondříček. Sie war ein voller Erfolg.