Entstehungszeit: 1881-1883
Uraufführung: 30. Dezember 1884 im Leipziger Neuen Theater mit dem Gewandhausorchester unter der Leitung von Arthur Nikisch
Dauer: 65 Minuten
Bei den Berliner Philharmonikern:
erstmals am 31. Januar 1887, Dirigent: Karl Klindworth; zuletzt im März 2024 im Rahmen der Osterfestspiele Baden-Baden unter der Leitung von Tugan Sokhiev
Bruckners Siebte Symphonie beginnt mit einer fast endlosen, langgezogenen, weiträumigen Melodie, wellenförmig breitet sie sich aus und bringt das gesamte Orchester zum Leuchten. Unter dem Silberstreif der fiebrigen Tremoli in den Violinen setzen die Celli ein, zuerst zusammen mit dem Solohorn, dann mit den Bratschen, schließlich mit der ersten Klarinette, unmerklich fast wird die Melodie umgefärbt und abgetönt, sie changiert zwischen sonoren, bronzenen, fahlen, glühenden Tönen, in immer neuen Mixturen. Wer der Mystik der Brucknerschen Symphonie auf den Klanggrund gehen will, muss sich nur diesen Anfang anhören, mit dem eine andere Zeit anbricht, ein anderes Zeitmaß.
In dem (für seine Verhältnisse) kurzen Finale der Siebten stellt Anton Bruckner hingegen ein flottes, fesches Thema an die Spitze, eingängig und fast zum Mitpfeifen. Allerdings dürfte kaum jemand beim ersten Hören auf die Idee kommen, dass es sich mehr oder minder um dieselbe Tonfolge handelt wie am Beginn der Symphonie, nur anders instrumentiert, rhythmisiert, verkürzt und beschleunigt: zwei Gesichter derselben musikalischen Persönlichkeit. Ganz am Ende erst, in den letzten neun Takten, enthüllt Bruckner das Geheimnis seiner thematischen Metamorphose, wenn er den mitreißenden Abkömmling in die feierliche Urform des Anfangs zurückverwandelt. Aber diese metaphysische Beziehung verrät auch eine abgründige Seite, die Lust, etwas in sein glattes Gegenteil zu verkehren. In der Siebten findet sich das Spiel mit Spiegelungen, Umkehrungen, Gegenbewegungen ohnehin an allen Ecken und Enden: Die Romantiker hatten seit jeher, auch in der Musik, eine Vorliebe für Doppelgänger, Kippfiguren und Schattenbilder.
Bei der von Arthur Nikisch dirigierten Leipziger Uraufführung am 30. Dezember 1884 stand Bruckners Siebte als letzter Programmpunkt vor der Pause im Zentrum eines rein »neudeutschen« Konzerts zwischen Franz Liszts Les Préludes und Réminiscences de Don Juan im Wechsel mit Auszügen aus Richard Wagners Götterdämmerung. Die sogenannte »Neudeutsche Schule« war eine progressive Musikbewegung, angeführt von Komponisten wie Liszt und Wagner. Prompt witterte ein Rezensent auch in Bruckners Symphonie überall Anklänge an Wagners Werke und streute den hässlichen Verdacht der Nachahmung. Noch bis heute wird diese Symphonie in Querverbindung zu verschiedenen Wagner-Opern gesetzt: Wer will, hört das Rheingold-Vorspiel aus dem Schluss des ersten Satzes, Siegfrieds Trauermarsch im Adagio, den Walkürenritt im Scherzo oder den Parsifal von Anfang bis Ende. Diese Wahlverwandtschaften lassen sich schlecht ignorieren, denn Bruckner selbst schrieb seiner Symphonie ein Bekenntnis zu Wagner ein, als er die von ihm so genannte »Trauer-Musik«, den Abgesang am Schluss des Adagios, ausdrücklich auf Richard Wagners Tod in Venedig am 13. Februar 1883 bezog. Und der Komponist im Nachhinein der Partitur auch noch vier »Wagnertuben« hinzufügte, ein von den Hornisten gespieltes Spezialinstrument, sozusagen ein Zwitter von Horn und Tuba, wie sie der verstorbene Namenspatron für seinen Ring des Nibelungen vorgesehen hatte.
Am Tag nach der Münchner Erstaufführung der Siebten im März 1885 lud der Dirigent Hermann Levi den Komponisten zu einer Vorstellung von Richard Wagners Walküre ins Nationaltheater ein. Um Mitternacht, als sich der Saal längst geleert hatte, saß Bruckner noch exklusiv als Ehrengast im Opernhaus wie sonst der bayerische König Ludwig II., der große Bewunderer und Mentor Wagners sowie Widmungsträger der Siebten Symphonie. Und nur für Bruckner musizierte das Orchester die »Trauer-Musik« aus dem langsamen Satz. »Meine Herren!«, sprach Levi zu seinen Musikern: »In diesem Hause haben wir schon oft vor dem König allein Meisterwerke gespielt. Wir haben einen Fürsten im Reich der Töne unter uns. Ich bitte Sie, für ihn noch einen Teil des Adagios seiner Symphonie zu spielen.«