Bernd Lhotzky mit kurzen braunen Haaren steht lässig vor einer hellen Wand in einem minimalistisch eingerichteten Raum. Er trägt ein blaues Hemd über einem dunklen T-Shirt und eine Brille hängt aus seiner Hemdtasche.
Bernd Lhotzky | Bild: Christoph A. Hellhake

Konzertinformationen


Info

Was hat ein Cembalo im Jazzkonzert zu suchen? Eine ganze Menge! Der Cembalist Bernd Lhotzky ist ein Spezialist für Stride und Early Jazz und bewegt sich mühelos zwischen Klassik und Jazz. Unter dem Motto Eternal Baroque bringt er in diesem Konzert – zusammen mit Saxofonist Émile Parisien, Flötist Frédéric Couderc, Bassist und Cellist Henning Sieverts sowie Schlagzeuger Eric Schaefer – zwei scheinbar gegensätzliche Musikwelten zusammen. Doch Barock und Jazz haben mehr gemeinsam, als man denkt: Beide pulsieren vor Energie, beide leben von Improvisation – perfekte Zutaten für einen mitreißenden Konzertabend! 


Besetzung

Bernd Lhotzky Cembalo und Leitung
Émile Parisien Sopransaxofone
Frédéric Couderc Flöten
Henning Sieverts Kontrabass und Violoncello
Eric Schaefer Schlagzeug


Serviceinformationen

Dauer ca. 2 Stunden

Kuratiert von Siggi Loch



Kammermusiksaal

22 bis 52 €

Konzerteinführung
19.15 Uhr

Abo P: Jazz at Berlin Philharmonic

Biografien

Bernd Lhotzky

Der 54-jährige Münchner Pianist Bernd Lhotzky gehört zu den großen Kennern, leidenschaftlichen Spezialisten und virtuosen Interpreten des klassischen Jazz. Seine Begeisterung für die große erste Jazz-Ära wurde früh geweckt, als ihm sein Onkel eine Fats-Waller-Platte schenkte. Da war er elf. Und beim Unterfangen, selbst ein großer Pianist zu werden, beschritt er den seinerzeit gängigen Ausbildungsweg mit Unterricht und Studium des »klassischen« Klaviers am Richard-Strauss-Konservatorium in München (als dort bis dahin jüngster Student), doch der Harlem Stride ging ihm nie aus dem Kopf. Die Leidenschaft dehnte sich auf andere Errungenschaften des Early Jazz aus und wurde zur Berufung.

Bald gehörte Lhotzky zu jener kleinen Schar von Pianisten weltweit, die die spektakulären und hochvirtuosen Stile der alten Meister noch auf deren Niveau beherrschen. Er demonstriert dies seither solo, als Begleiter und 20 Jahre lang mit dem bahnbrechenden Quartett Echoes of Swing, das den Early Jazz sozusagen antimuseal und in einem experimentellen und fortschrittlichen Geist in die Gegenwart katapultierte.

Zugleich setzte sich Lhotzky weit über die eigenen Auftritte hinaus dafür ein, dass die für ihn »harmonisch wie melodisch so reiche, technisch so meisterhafte Jazz-Musik aus der Zeit vor Bill Evans« nicht in Vergessenheit gerät. Dies tat er als Gründer und künstlerischer Leiter von Festivals auf Schloss Elmau oder in seinem früheren Heimatort Oberhaching. Und auch als künstlerischer Leiter von Projekten wie der Hommage an den legendären Trompeter Bix Beiderbecke, das vor einigen Jahren bei Jazz at Berlin Philharmonic zu sehen war, oder als Mastermind und Neuvertoner von Shakespeare-Sonetten beim preisgekrönten Gesangsdebüt der Schauspielerin Birgit Minichmayr auf dem Album As An Unperfect Actor.

Umso begeisterter war Lhotzky nun von der Idee des Eternal Baroque-Abends. »Hört man Siggi Lochs und George Gruntz’ Jazz Goes Baroque klingt es immer noch total frisch, auch wenn es natürlich vom Zeitgeist der Sechzigerjahre umweht ist. Es ist ein Riesenspaß, diese Idee nun in die Gegenwart zu hieven«, sagt Lhotzky. Das ging mit dem Üben auf dem Cembalo los, betraf aber vor allem die Beschäftigung mit den Komponisten des Barock, von den Deutschen Pachelbel und Händel, über die Engländer Dowland und Byrd, zu den Franzosen Couperin und Lully bis hin zu den Italienern Vivaldi und Corelli: »Es ist vor allem das Einfache und Ursprüngliche, was faszinierend ist und sich perfekt übertragen lässt. Vivaldis Concerto Grosso RV 156 beispielsweise ist für mich purer Jazz.«

Blieb noch die Aufgabe, der exzellenten Besetzung von damals gerecht zu werden. Was herausragend gelang. Mit dabei ist der vom Cello kommende Bassist Henning Sieverts anstelle des leider so früh verstorbenen, ebenfalls durch seine Vielseitigkeit und Offenheit auch als Arrangeur und Komponist außergewöhnlichen Peter Trunk. Eric Schaefer übernimmt der Part am Schlagzeug für den seinerzeit in Japan sehr erfolgreichen Klaus Weiss und Émile Parisien den des deutschen Saxofon-Weltstars und Fusion-Pioniers Klaus Doldinger. Last but not least ist der Flötist und Holzbläser Frédéric Couderc anstelle von Emil Mangelsdorff dabei, der zusammen mit seinem jüngeren Bruder Albert eine der prägenden Figuren des deutschen Jazz war.


Émile Parisien

Der 42-jährige Franzose Émile Parisien hat früh sein einzigartiges Talent unter Beweis gestellt. Schon mit elf Jahren besuchte er das Collège de Jazz von Marciac – später sollte er beim dazugehörigen, berühmten Festival des Ortes mit Stars wie Wynton Marsalis, Christian McBride und Johnny Griffin spielen. Nach dem Studium in Toulouse und dem Umzug nach Paris ging es dann schnell. Quasi im Gleichschritt mit seinem Freund und langjährigen musikalischen Weggefährten, dem Akkordeonisten Vincent Peirani, gewann er die französischen Victoires du jazz, wurde Exklusivkünstler beim deutschen ACT-Label und avancierte zu einem der Aushängeschilder des europäischen Jazz. Er wurde mit den wichtigsten Preisen ausgezeichnet, vom Prix Django Reinhardt bis zum Echo Jazz.

Seine Ausnahmestellung beginnt mit der Spezialisierung auf das Sopransaxofon, das fast alle anderen Saxofonisten nur als Zweit- oder Drittinstrument neben Alt oder Tenor spielen. Parisien beherrscht es wie wohl derzeit kein anderer. Doch so sehr er sich bei seinem Instrument spezialisiert hat, so offen ist er stilistisch. Sein Schaffen reicht von Hommagen an Sidney Bechet, den wohl berühmtesten Sopransaxofonisten aller Zeiten, bis zu avantgardistischen und weltmusikalischen Projekten mit Größen wie Michel Portal, Jacky Terrasson, Yaron Herman, Joachim Kühn, Manu Codjia oder eben Vincent Peirani. Im eigenen, seit fast 25 Jahren bestehenden Quartett zeugen seine Kompositionen neben der Inspiration etwa durch John Coltrane oder Wayne Shorter auch vom Einfluss von Klassikern wie Berlioz, Strawinsky, Schönberg oder Wagner.


Frédéric Couderc

Anders als der dem Publikum bei Jazz at Berlin Philharmonic bestens bekannte Émile Parisien gibt sein 54-jähriger Landesmann heute Abend sein Debüt in dieser Reihe. Und so wie Parisien ist auch Couderc ein Solitär unter den Holzbläsern. Allerdings nicht wegen seiner Spezialisierung, sondern wegen des genauen Gegenteils. Er spielt nicht nur alle Saxofone (darunter äußerst selten zu findende wie Bass oder Mezzosopran in F), sondern auch Flöten, Klarinetten, Taragot, Englischhorn, Ewi und das eigens für ihn gebaute, weltweit einzigartiges Coudophone – im Prinzip ein gerades C-Melody-Saxofon.

Couderc hat sich nach seinem Studium an den Nationalkonservatorien in Bordeaux und Paris (dort in der Jazz-Klasse von François Jeanneau) intensiv auf die Suche nach neuen Klangfarben und Klängen begeben. Mit außergewöhnlichen Ergebnissen. Auf seinem 2007 erschienenen Album Kirkophonie etwa ehrt er Roland Kirk, indem er zwei oder drei Saxofone gleichzeitig spielt. Auf seiner 2011 veröffentlichten Coudoponie arbeitet er gemeinsam mit dem Schlagzeuger André Ceccarelli intensiv mit Klangtexturen und Klangfarbenmischungen. Schließlich zeigt sich an seinen musikalischen Partnerschaften, wie vielseitig, offen und virtuos Couderc ist: Sie reichen von der Paris Jazz Big Band, dem Paris Swing Orchestra über Fred Pallems Le Sacre du Tympan und den Bands von Christian Escoudé und Michel Legrand bis zur Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen Stars wie Ray Charles, Wynton Marsalis, John Lewis, Kenny Wheeler, Mark Turner, Tania Maria, Dee Dee Bridgewater und Natalie Cole.


Henning Sieverts

Auch der 59-jährige, in München ansässige Henning Sieverts gehört zu den Universalisten innerhalb seines Faches. Seit Jahrzehnten ist er einer der herausragenden Bassisten der europäischen Jazz-Szene. Er begleitete unzählige nationale wie internationale Stars wie Phil Woods, Slide Hampton, Heinrich von Kalnein, Richie Beirach, Steffen Schorn oder Peter Herbolzheimer, war Mitglied der Trios von Joe Kienemann, Larry Porter, Peter Fulda und Christian Elsässer und arbeitete mit der SWR Big Band und diversen Orchestern. Vor allem aber schmiedete er Dutzende eigene Projekte in den verschiedensten Besetzungen, darunter unlängst erstmals ein Soloprogramm (Bassolo). Unter den gut 40 eigenen Veröffentlichungen gehören die seines Trios Symmethree mit Nils Wogram und Ronny Graupe zu den bekanntesten.

Sieverts ist obendrein Absolvent der Deutschen Journalistenschule und arbeitet seit vielen Jahren nebenberuflich auch als Radiomoderator. Stets zeichnen sich seine Projekte durch außergewöhnliche, spielerische Ideen aus: Mal lehnen sich die Kompositionen à la Messiaen an Vogelstimmen an, mal sind sie musikalische Palindrome, mal ehren sie Bach durch die Ton- oder Tonartfolge B-A-C-H. Weil Sieverts vom Cello kommt – das er von 1977 bis 1985 in Berlin studierte –, ist sein Bassspiel insbesondere mit dem Bogen so leicht und technisch brillant wie bei wenigen. Eine ideale Komponente für den heutigen Eternal-Baroque-Abend.


Eric Schaefer

Die meisten kennen den 48-jährigen, aus Frankfurt stammenden Schlagzeuger Eric Schaefer, der heute in Leipzig lebt und eine Professur für Jazz-Schlagzeug an der Leipziger Musikhochschule hat, als quasi siamesischen Zwilling von Michael Wollny. Seit über 20 Jahren gibt es kaum eine engere Bindung eines Schlagzeugers mit einem Pianisten wie bei diesen beiden. Doch Schaefer hat auch noch sein eigenes musikalisches Leben, das ihn zu einem – wie Die Zeit vor ein paar Jahren schrieb – »heimlichen Zentralgestirn in der deutschen Jazz-Szene« macht.

Schaefer war nicht nur Mitglied der Trios von Joachim Kühn, Arne Jansen und Carsten Daerr, von Michael Thiekes Bands Ununumium und Nickendes Perlgras sowie von Kalle Kalimas Johnny La Marama, er hatte und hat stets eigene Gruppen wie die Fusionband The Shredz, das Quartett Demontage oder die Formation mit Streichern Henosis. Ohnehin einer der perkussivsten Schlagzeuger der Szene, vereinnahmt Schaefer die verschiedensten Stile von Punk, Hip-Hop und Hardcore über Modern Jazz bis zu japanischer Musik. Letztere ist ein besonderes Faible des praktizierenden Zen-Buddhisten, das er mit außergewöhnlichen Projekten wie dem Album Kyoto Mon Amour und dem Oktett Hayashi pflegt.

Doch immer schon hat bei ihm auch die Klassik eine große Rolle gespielt. Nicht zuletzt, weil er vor dem Jazz-Studium in Berlin in Köln klassische Perkussion und Neue Musik studiert hat. So ziehen sich entsprechende Anleihen und Projekte, zum Beispiel sein Beitrag zum Wagner-Jahr Who Is Afraid of Richard W. 2013, durch sein Schaffen. Sie machen ihn für den Eternal-Baroque-Abend zur »vermutlich wichtigsten Figur«, wie Bernd Lhotzky mutmaßt: »Weil es vor allem auf den Rhythmus ankommt.«