
Ausgezeichnet: Vito Žuraj
Der slowenische Komponist ist Träger des Claudio-Abbado-Kompositionspreises

Ein Komponist könne nicht aus dem Nichts schöpfen. Für Vito Žuraj, Preisträger des Claudio-Abbado-Kompositionspreises, ist der kreative Prozess des Komponierens stets eine Auseinandersetzung mit der Musikgeschichte. Ob in dem Stück Schub’rdy G’rdy für Sopran und Ensemble, in dem er einige Schubert-Lieder – wie Žuraj formuliert – »durch den Fleischwolf gedreht und wieder neu zu einem falschen Hasen zusammengesetzt hat« oder in der Komposition Übürall, die auf die Musique pour les soupers du Roi Ubu von Bernd Alois Zimmermann verweist – seine Werke sind eindrucksvolle, akustische Vexierspiele, die zu neuen Klangwelten aufbrechen, ohne den Bezug zur Vergangenheit zu verlieren. Allerdings: »Ob und in welcher Form ich Versatzstücke der Musikgeschichte verwende, ist immer vom konkreten Stück und seinem Kontext abhängig«, meint der 38-jährige Komponist.
Akustische Vexierspiele
Eine weitere Inspirationsquelle, vor allem in struktureller Hinsicht, bietet das Tennisspiel, das Vito Žuraj mit Leidenschaft betreibt und das ihn zu Werken mit Titeln wie Changeover oder Runaround angeregt hat. Der Gitarre spielende Vater und Arthur Rubinsteins Einspielungen von Chopins Polonaisen weckten schon früh seine Begeisterung für Musik. Mehr noch: Schon bald verspürte der gebürtige Slowene den Drang, selbst zu komponieren. Vito Žuraj, der bei Marko Mihevc, Lothar Voigtländer, Wolfgang Rihm und Thomas A. Troge studierte, zählt heute zu den wichtigen Komponisten der jungen Generation. Prägend für ihn wurde die Zusammenarbeit mit dem Ensemble Modern, die im April 2017 in einem Porträtkonzert in der Elbphilharmonie gipfelte. Für sein Œuvre hat er bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten, doch der Abbado-Kompositions-Preis freut ihn besonders: »Das Schönste bei diesem Preis ist die Uraufführung eines neuen Werks in Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern. Damit geht ein lang ersehnter Traum in Erfüllung.«
Hommage an Claudio Abbado
Das neue Stück Alavò nimmt – als Hommage an Abbado – Bezug auf die sizilianische Kultur. Vito Žuraj und sein Librettist Patrick Hahn haben sich bei diesem »Liedkonzert« von den Liedern und Märchen Siziliens anregen lassen und sie in eine moderne Erzählweise überführt. »Mir geht es in diesem Werk vor allen Dingen darum, einen Klang-Raum zu schaffen, der verschiedene Bewusstseinsebenen abbildet«, erklärt der Komponist. »Ein weiteres wichtiges Thema ist die Idee des Wanderns ─ einmal ganz wörtlich verstanden, denn die Sängerin wird nicht nur an einer Position singen. Zum anderen aber auch als eine Notwendigkeit im Leben, im schönen wie im tragischen Sinne.«