Musik als Teil der Gesellschaft

Composer in Residence Esa-Pekka Salonen

Wenn es ein Dogma im Musikverständnis von Esa-Pekka Salonen gibt, dann ist es die Ablehnung aller Dogmen. Er lässt sich nicht in Schubladen pressen, sondern sucht nach einer Musik, die aufregt und berührt – der Weg dahin ist zweitrangig. In der Saison 2022/23 ist Esa-Pekka Salonen Composer in Residence der Berliner Philharmoniker.

In seinen Jugendjahren war die Verteidigung der wahren Werte der Musik für Esa-Pekka Salonen ein zentrales Anliegen. Wenn auf einer Studentenparty ein Hit von Donna Summer gespielt wurde, konnte es passieren, dass er sich mit einem Freund ans Klavier setzte und sie vierhändig mit Zwölftonmusik dagegenhielten. Heute kann Salonen über solche Anwandlungen nur noch lachen. Inzwischen sind für ihn Popmusik und Zwölftonmusik längst keine Gegensätze mehr. Im Gegenteil.

Für den 1958 in Helsinki geborenen Salonen zählt weniger die Suche nach einer musikalischen »Wahrheit« als vielmehr der Wunsch nach kraftvollen Erfahrungen. Sein Ziel ist es, Musik zu schreiben, die auch der durchschnittliche Konzertbesucher verstehen und genießen kann. Er lehnt die Unterscheidung von E- und U-Musik ab, für ihn ist Musik einfach Musik. »Die Menschen erwarten etwas anderes von Musik in verschiedenen Situationen«, so Salonen. »Es gibt Momente, wo auch ich gerne Popmusik höre. Dass das, was wir als Musik verstehen, so eine Bandbreite abdeckt, das ist doch faszinierend!«

Salonen spricht über die Residency bei den Berliner Philharmonikern


Spontaneität ist für Salonen ein wichtiger Faktor beim Komponieren

Die Musik von Esa-Pekka Salonen ist hoch-expressiv und spricht den Hörer direkt an. Sie kennt keine Dogmen und lässt sich deshalb schwer in eine Schublade stecken. Flirrende Klangflächen oder dissonante Akkordballungen stehen neben rhythmischen Attacken oder einer mitunter spätromantisch anmutenden Harmonik. »Ich schreibe Musik, die in mir etwas bewegt. Ich sehe mich zunächst einmal auch als Empfänger, als Zuhörer. Wenn ich ein Stück schreibe, spiele ich es mir zunächst in meinem eigenen Kopf vor. Wenn der Zuhörer in mir glaubt, es sei gut und interessant, aufregend oder berührend, dann notiere ich es. Wenn es mir selbst gefällt, gibt es eine gute Chance, dass es auch anderen, vielleicht auch vielen gefällt.«

Spontaneität ist für Esa-Pekka Salonen beim Komponieren ein wichtiger Faktor: »Ich habe selten ein fertiges Konzept. Ich sammle ständig Material, denn ich will nicht am Anfang meiner Kompositionsperiode im Studio sitzen und in Panik geraten, weil ich keine Idee habe und auf ein leeres Blatt starre. Ich sammle Ideen, Rhythmen, Themen; wenn ich dann mit dem Komponieren beginne, habe ich schon einiges an Material vor mir liegen, und meist finde ich etwas, das die Basis für mein nächstes Stück wird.«

Der Kampf des Komponisten gegen den Dirigenten Salonen

Doch Salonen ist nicht nur Komponist, sondern auch einer der gefragtesten Dirigenten weltweit. Das ist für ihn eine schwierige Herausforderung: »Es ist ein ständiger Kampf des Komponisten gegen den Dirigenten. Wie bei Gustav Mahler. Er hat sein ganzes Leben der Wiener Hofoper gewidmet. Solche Institutionen sind Monster. Sie pressen den ganzen Lebenssaft aus einem heraus.« Deshalb arbeitet er als Dirigent nur mit ausgewählten Orchestern zusammen und nimmt sich dazwischen immer wieder Zeit, um sich ganz seinen Kompositionen zu widmen.

Salonen hält nichts vom Musizieren und Komponieren im Elfenbeinturm. Er braucht den Kontakt zum Publikum. Und er legt Wert darauf, sich selbst nicht als das alleinige Maß der Dinge zu sehen. »Ich will, dass Musik – und vor allem meine Musik – Teil der Gesellschaft ist. Was ich nicht ertragen kann, sind Menschen, die sich zu ernst nehmen. Es muss immer Raum bleiben für Ironie und Gelächter, ohne die wäre das Leben unerträglich.«