
(Foto: Marco Borggreve)
Artist in Residence 2017/2018
Mit Mark Padmore ist in dieser Saison ein Sänger Artist in Residence, den das Publikum in Zusammenhang mit den Berliner Philharmonikern vor allem durch eines kennt: als Evangelist in der Johannes- und der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach, die in den Jahren 2010, 2013 und 2014 in der szenischen Realisation von Peter Sellars für Furore sorgten. Seine schlanke, klare und flexible Tenorstimme macht ihn zum idealen Interpreten dieser Partien, die er intelligent, aber gleichzeitig innig und berührend gestaltet. »Mark Padmore ist ein charismatischer Evangelist«, heißt es in einer Kritik der Berliner Morgenpost. Darüber hinaus konnte man den Sänger in den Konzerten der Stiftung Berliner Philharmoniker auch als Solist in Joseph Haydns Harmoniemesse, Beethovens Missa solemnis und Georg Friedrich Händels Messias sowie als Liederinterpret erleben.
Als Artist in Residence präsentiert er in der kommenden Saison weitere Facetten seines künstlerischen Spektrums. So wirkt er bei zwei großartigen Oratorien-Projekten der Berliner Philharmoniker mit: bei den Aufführungen von Haydns Schöpfung, die beim Saisoneröffnungskonzert erklingt, und in Robert Schumanns weltlichem Oratorium Das Paradies und die Peri, in dem Mark Padmore als Erzähler auftritt. Die vier Kammermusikkonzerte, die er darüber hinaus mit Mitgliedern der Berliner Philharmoniker sowie Stipendiaten der Karajan-Akademie und musikalischen Gästen bestreitet, zeigen Padmores Vielseitigkeit als Liedersänger. Im ersten Konzert seiner Residency führt er mit Peter Warlocks Liederzyklus The Curlew, Richard Rodney Bennetts Tim O’Bredlam’s Song sowie den Zyklen On Wenlock und Ten Blake Songs von Ralph Vaughan Williams Werke von Komponisten aus seiner englischen Heimat auf. Es folgt Franz Schuberts Winterreise, die eine Herausforderung für jeden Sänger darstellt. Gilt es doch, der einheitlich depressiven Grundstimmung, die den gesamten Zyklus prägt, in jedem einzelnen der Lieder eine eigene Facette abzugewinnen. »Die Winterreise hat diesen gnadenlosen Blick auf die Welt wie sie tatsächlich ist, oftmals grausam und einsam. Gleichzeitig ist sie aber auch die Geschichte eines Außenseiters, ähnlich eines Charakters von Samuel Beckett, jemand der außerhalb des Lebens steht«, meint Mark Padmore. Begleitet wird er an diesem Abend von dem Pianisten Kristian Bezuidenhout, der sich nicht an einen modernen Flügel, sondern ans Hammerklavier setzt. So bieten die beiden Künstler ihrem Publikum die Gelegenheit, den Liederzyklus in einer Art zu hören, wie er zu Schuberts Zeiten geklungen haben könnte.
Zwei vollkommen unterschiedliche Komponisten stehen auf dem Programm, das Mark Padmore mit den Stipendiaten der Karajan-Akademie realisiert: Witold Lutosławski und Benjamin Britten. Doch diese Zusammenstellung deckt verborgene Beziehungen auf. In ihren Liederzyklen Paroles tissées und Les Illuminations haben sowohl der polnische als auch der englische Komponist französische Gedichte vertont. Lutosławskis Paroles tissées entstanden für den Tenor Peter Pears, den Lebensgefährten Brittens. In seinem letzten Konzert spannt Padmore mit Robert Schumanns Liederkreis op. 39, Leoš Janáčeks Tagebuch eines Verschollenen und Ryan Wigglesworths Kantate Echo and Narcissus den Bogen vom romantischen über den modernen zum zeitgenössischen Liedgesang. Mit dem jungen englischen Komponisten, Dirigenten und Pianisten verbindet den Tenor eine mehrjährige künstlerische Freundschaft. »Er ist ein unglaublicher guter Musiker«, schwärmte Padmore in einem Interview für den Münchner Merkur. Eine ungewöhnliche Programmatik, eines ungewöhnlichen Sängers, der neben bekannten und geschätzten Preziosen des Liedgesangs, auch bislang selten gehörte Kleinodien der Vokalmusik vorstellt.