Karajans Erster Konzertmeister

Zum 100. Geburtstag von Michel Schwalbé

Michel Schwalbé
(Foto: Nachlass Schwalbé/Archiv Berliner Philharmoniker)

Er war Herbert von Karajans kongenialer Erster Konzertmeister: Michel Schwalbé, der von 1957 bis 1985 die Berliner Philharmoniker vom ersten Pult aus führte und eine Ära mitprägte.

Noch heute schwärmen Musiker wie Kritiker von seinen Geigensoli, beispielsweise dem ebenso betörenden wie vertrackten Solopart im Heldenleben von Richard Strauss, den keiner so lockend und sinnlich spielen konnte wie er. »Ich versuchte immer nur zu realisieren, was ich innerlich empfinde – nichts anderes,« verriet Schwalbé in einem Interview für das Magazin der Berliner Philharmoniker.

Ein musikalisches Wunderkind

1919 im polnischen Radom geboren, galt Michel Schwalbé als geigerisches Wunderkind. Seinen ersten Violinunterricht erhielt er im Alter von acht Jahren von Maurycy Frenkel in Warschau, ab 1933 studierte er am Pariser Konservatorium bei Georges Enescu, Jules Boucherit und Pierre Monteux. Die angestrebte Solistenkarriere wurde durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zunichte gemacht.

Der Geiger nahm seine erste Orchesterstelle in Lyon an, musste jedoch wegen der drohenden Deportation 1942 in die Schweiz flüchten, wo sich ihm bald neue musikalische Wege öffneten: Ernest Ansermet engagierte ihn 1944 als Konzertmeister des Orchestre de la Suisse Romande, darüber hinaus trat Schwalbé solistisch auf, führte von 1946 bis 1948 in Zürich ein eigenes Streichquartett an, war Konzertmeister des Schweizerischen Festspielorchesters in Luzern und unterrichtete seit 1948 in der Nachfolge von Joseph Szigeti am Konservatorium in Genf.

Das Wunderkind Der junge Geiger

Ein Zeichen der Aussöhnung

1957 bot ihm Herbert von Karajan die Stelle des Ersten Konzertmeisters bei den Berliner Philharmonikern an. Michel Schwalbé zögerte lange, nahm das Angebot dann aber an – als Zeichen seiner Aussöhnung mit dem Nachkriegs-Deutschland, das ihm zu einer neuen Heimat wurde.

Für seine herausragenden künstlerischen Leistungen als Orchestermusiker, Solist und Pädagoge erhielt der Geiger, der 2012 im Alter von 92 Jahren verstarb und dessen Geburtstag sich am 27. Oktober zum 100. Mal jährt, zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen, u. v. a. das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse.

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