Eine Hommage an Daniel Stabrawa

Der Erste Konzertmeister als Solist, Dirigent und Kammermusiker in der »Berlin Phil Series«

Daniel Stabrawa
(Foto: Sebastian Hänel)

»Das Bedürfnis, in dieser Zeit Musik zu machen, ist sehr groß«, meint Daniel Stabrawa. Der Erste Konzertmeister der Berliner Philharmoniker bereitet gerade mit seinen Kollegen die nächste Folge der Berlin Phil Series vor, die am 30. Mai in der Digital Concert Hall übertragen wird. Diese von Musikerinnen und Musikern des Orchesters kuratierte Reihe bietet eine Mischung aus kammermusikalischem Live-Konzert sowie Archivmitschnitten von Orchesterwerken. Wieder gemeinsam zu proben, ein Programm zu gestalten habe ihn – so Daniel Stabrawa – enorm beflügelt: »Ich fühle mich um 200% lebendiger.«

Faible für Unbekanntes

Der gebürtige Krakauer ist seit fast 40 Jahren Mitglied der Berliner Philharmoniker. Als Nachfolger von Michel Schwalbé übernahm er 1986 die Position des Ersten Konzertmeisters. Seither koordiniert er so souverän wie unaufdringlich die Kommunikation zwischen Dirigent und Orchester, begeistert das Publikum mit wunderbar gestalteten Solopassagen und tritt immer wieder auch als Solist auf. Vor allem in dieser Funktion hat er uns in den vergangenen Jahren einige unbekannte, aber spannende Werke nähergebracht, beispielsweise die Violinkonzerte von Jenő Hubay und Rudi Stephan. Zusammen mit den Berliner Philharmonikern wollte er in dieser Saison eine weitere Rarität vorstellen: das Konzert des polnischen Komponisten Andrzej Panufnik. Das Werk seines Landsmanns, der 1954 nach England emigrierte, hat Daniel Stabrawa erst spät entdeckt und war von dessen poetischer, klangsinnlicher Musiksprache sofort fasziniert. »Sein Violinkonzert ist ein emotional sehr aufgeladenes Stück voller unglaublicher Klangfarben und mitreißender Rhythmik.«

Ein vielseitiger Musiker

Wäre nicht der Corona-Shutdown dazwischengekommen, hätten wir Daniel Stabrawa als Solist und Dirigent mit Panufniks Komposition sowie Werken von Mozart und Schubert erlebt. Nun präsentiert er das Violinkonzert, das 1971 für Yehudi Menuhin entstand, in der Berlin Phil Series in kleiner, kammermusikalischer Besetzung. Bei dieser Gelegenheit kann Daniel Stabrawa auch seine langjährige Erfahrung als Kammermusiker einbringen. Konzertmeister, Solist, Dirigent, Kammermusiker – diese verschiedenen Rollen, die Daniel Stabrawa ausfüllt, haben sich gegenseitig beeinflusst, befruchtet und seinen Blick auf die Musik geweitet. Zur Eröffnung des Programms erklingt Antonín Dvořáks Terzett für 2 Violinen und Viola. »Dieses Stück habe ich ausgewählt«, erklärt der Geiger, »weil ich es mit drei Krakauern, dem Geiger Krzysztof Polonek, dem Bratscher Ignacy Miecznikowski und mir, besetzen konnte.« Gibt es einen typisch polnischen Musizierstil? »Vielleicht lässt er sich an der Art der melodischen Gestaltung und der Phrasierung erkennen, die sich am Duktus der polnischen Sprache orientiert.« Zeigt sich Daniel Stabrawa im Live-Konzert der Berlin Phil Series von seiner solistischen, kammermusikalischen Seite, so ist er am Schluss in einem Archivmitschnitt von Sibelius’ Vierter Symphonie in seiner bekanntesten Funktion zu sehen: der des Ersten Konzertmeisters der Berliner Philharmoniker.

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