Königliche Hoheit

Die Orgel in der Philharmonie Berlin

(Foto: Heribert Schindler)

Man kann sie nicht übersehen: die Orgel der Philharmonie Berlin ist ein Blickfang und gehört zu den bedeutendsten Konzertsaalorgeln der Welt. Über ein faszinierendes Instrument, das Hightech und Handwerk vereint.

Für Wolfgang Amadeus Mozart war sie die Königin der Instrumente. Sie ist in nahezu jeder größeren Kirche zu finden, sie steht aber auch in Stadthallen, Konzerthäusern und Philharmonien. Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy oder Max Reger haben zahllose Werke für sie geschrieben, andere wie Richard Wagner kein einziges. Sie gilt als das größte aller Musikinstrumente, produziert die tiefsten und höchsten, die lautesten und leisesten Klänge. 2017 wurde sie durch die UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Last, but not least ist sie das erste Tasteninstrument, das zum »Instrument des Jahres« 2021 gekürt wurde. Die Rede ist von der Orgel.

Der Mode unterworfen

Dabei ist die Orgel kein Instrument wie jedes andere. Man kann sie nicht wie eine Geige oder eine Klarinette mit sich herumtragen, man muss zu ihr hingehen, wo immer sie steht. Orgeln gehören in der Regel keinen Privatpersonen, sondern sind im Besitz von Kirchen oder Städten, die bei der Erbauung zumeist Einfluss auf die Gestaltung nahmen. So ist der Orgelbau immer auch Moden und Mehrheitsbeschlüssen unterworfen. Eine Orgel von 1900 klingt ganz anders als eine aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, eine französische unterscheidet sich deutlich von einer deutschen, und zwischen dem Klang einer spanischen und einer holländischen Orgel können Welten liegen.

Tasten, Pfeifen und viel Wind

Das Grundprinzip der Orgel ist jedoch simpel und hat sich seit ihrer Erfindung vor über 2000 Jahren im antiken Alexandrien kaum verändert: Luft strömt durch unterschiedlich große Metall- oder Holzpfeifen und erzeugt so verschiedene Klänge. Im Laufe der Jahrhunderte wurde dieses Verfahren immer weiter verfeinert, neue Pfeifenformen entwickelt, mit variierenden Winddrücken experimentiert und somit neue Klänge kreiert. Pfeifen einer Bauart heißen Register – sie sind die Klangfarben einer Orgel. Kleine Instrumente haben nur eine Handvoll Register, große Orgeln nicht selten Hundert und mehr. In Deutschland gibt es etwa 50 000 Orgeln, davon alleine 1400 in Berlin.

Der Spieltisch der Orgel
(Foto: Peter Adamik)

Ein Orchester für sich

Die 1965 erbaute Orgel der Philharmonie hat 90 Register mit insgesamt gut 6500 Pfeifen und gehört zu den bedeutendsten Konzertsaalorgeln der Welt. Sie ist das zweitgrößte Instrument der Hauptstadt, nur die Orgel im Berliner Dom ist noch ein wenig größer. Viele der 90 verschiedenen Klangfarben der Philharmonie-Orgel sind dem Orchester entliehen. Es gibt Flöten, Oboen und Klarinetten, Trompeten, Posaunen und Tuben, Streicher und sogenannte gemischte Stimmen, die dem hohen Klang einer Piccoloflöte ähneln. Andere Register tragen so poetische Namen wie Doppelflöte, Voix céléste oder Zartbass. Die längste Pfeife ist etwa 10 Meter lang und erzeugt einen Ton mit 16 Schwingungen pro Sekunde. Die kürzeste Pfeife misst knapp 11 Millimeter und bringt einen Ton mit 15 600 Schwingungen pro Sekunde hervor. Die meisten Register sind den Manualen zugeordnet, die tiefen Töne werden mit den Füßen auf der Pedalklaviatur gespielt. Da der Organist die Klänge auf jedem der vier Manuale und dem Pedal individuell einstellen und mittels modernster Computertechnik in Sekundenschnelle abrufen kann – dieser Vorgang wird Registrieren genannt –, vermag die Philharmonie-Orgel einen wahren Klangzauber zu erzeugen. Mal klingt sie kammermusikalisch wie ein Streichquartett oder ätherisch wie eine Harfe, in nächster Minute erinnert sie an den Sound eines Blechbläserensembles. Zieht man alle Register der Orgel, wird es sehr laut und die Klänge rauschen durch den Großen Saal.

An vier Sonntagen pro Saison bitten die berühmtesten Organistinnen und Organisten der Welt zur Orgelmatinee in die Philharmonie Berlin, häufig gesellen sich auch Musiker der Berliner Philharmoniker hinzu. Diese Matineen sind mittlerweile zu einem wichtigen Treffpunkt für die Fans von Orgelmusik geworden.

Oliver Hilmes