
Lernen von den Profis
Die Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker

Wenn junge Instrumentalistinnen und Instrumentalisten den Wunsch äußern, sie möchten gerne »zu Karajan«, dann wussten früher nur Insider, was damit gemeint war: einen der heißbegehrten Ausbildungsplätze in der Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker zu bekommen. Seit Mai 2017 nennt sich die Institution nun Karajan-Akademie. Sie hat den bislang inoffiziellen Namen amtlich gemacht – nicht nur, um dem in Musikerkreisen gängigen Sprachgebrauch Rechnung zu tragen, sondern vor allem um Herbert von Karajan zu würdigen. Der damalige Chefdirigent der Philharmoniker hatte die Akademie Anfang der 1970er-Jahre ins Leben gerufen, um begabte Musikerinnen und Musiker auf die Arbeit im Orchester vorzubereiten. Von erfahrenen Philharmonikern betreut, bekommen junge Talente nach ihrem Studium die Gelegenheit, in philharmonischen Konzerten mitzuwirken und zu lernen, worauf es beim Orchesterspiel ankommt. Eine Pioniertat, die mittlerweile reiche Früchte trägt: Gut ein Drittel aller heutigen Mitglieder der Berliner Philharmoniker ging aus dieser musikalischen Talentschmiede hervor.
Neu aufgestellt
Einer der ersten Stipendiaten, die den Sprung in das Orchester schafften, war der Kontrabassist Peter Riegelbauer. Er kam 1979 in die Akademie und gewann 1981 – an seinem 25. Geburtstag – das Probespiel für eine seit Langem offene Kontrabassstelle. Als Riegelbauer im September 2015 Geschäftsführer der Akademie wurde, übernahm er eine Organisation, die künstlerisch und pädagogisch hervorragend dastand, die allerdings auf eine finanzielle Schieflage zusteuerte So hieß es für den Kontrabassisten zunächst, ein neues Finanzierungskonzept zu entwickeln. Es gelang, Berliner Unternehmen, mittelständische Firmen und Privatpersonen sowie den Bund als neue Förderer zu gewinnen. Heute ist die Akademie wieder so gut aufgestellt, dass sie sogar mehr Stipendien anbieten kann. Das hat positive Folgen für die künstlerischen Projekte: »Wir haben die Anzahl der Streicher so erhöht, dass wir uns jetzt in Kammerorchesterstärke präsentieren können«, freut sich Riegelbauer. »Mir war wichtig, uns stärker zu positionieren, unsere Leuchtturmfunktion auszubauen und die Strahlkraft der Akademie nach außen zu tragen. Das gelingt auch über unsere Konzerte, deren Zahl wir enorm gesteigert haben.«
Vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik
Die Programme der Akademie-Konzerte berücksichtigen in erster Linie Werke aus Epochen, die die Studierenden durch den Einsatz im Orchester weniger kennenlernen. Der programmatische Schwerpunkt liegt daher bevorzugt auf Werken des Barock und der Wiener Klassik sowie zeitgenössischen Kompositionen. Zusätzlich zu den großen Konzertprojekten wurde die Reihe der Carte-blanche-Konzerte eingeführt: »Hier sollen die einzelnen Musikerinnen und Musiker solistisch oder in ganz kleinen Kammermusikformationen zur Geltung kommen«, so Riegelbauer. »Das wird von den Stipendiatinnen und Stipendiaten gerne angenommen – und vom Publikum auch. Denn wir verlangen für die Konzerte keinen Eintritt.« Seit dieser Saison verfügt die Karajan-Akademie dank einer Kooperation mit YouTube über einen eigenen Kanal auf der Videoplattform. Die dort veröffentlichten Konzert- und Probenmitschnitte sowie die Interviews mit Stipendiaten und Dozenten geben einen spannenden Einblick in den musikalischen Kosmos der Einrichtung.
Umfassende Ausbildung
Die Öffentlichkeit nimmt die Karajan-Akademie vor allem durch ihre Veranstaltungen wahr. Die Konzertauftritte und der Orchesterdienst bilden die wichtigsten Aspekte der Ausbildung. Doch die Institution bietet ihren Absolventinnen und Absolventen noch viel mehr: Da der größte Teil der Akademisten nicht aus Deutschland kommt und deswegen der deutschen Sprache nicht mächtig ist, wird Deutschunterricht angeboten. Existenziell für die weitere Laufbahn im Orchester ist auch die Vorbereitung auf die Probespiele. »Das lernt man an der Hochschule nicht«, meint Riegelbauer. »Ein Probespiel stellt ganz besondere Anforderungen an die Musikerinnen und Musiker: Sie müssen in kürzester Zeit auf den Punkt kommen und ihre beste Qualität zeigen. Oftmals ist alles innerhalb von fünf Minuten vorbei, die nervliche Belastung ist also groß. Das verlangt eine spezielle Vorbereitung.« Nicht nur technisches und künstlerisches Können entscheiden über den Erfolg, sondern auch die Ausstrahlung und der persönliche Auftritt. In der Karajan-Akademie erhalten die Stipendiatinnen und Stipendiaten ein mentales Coaching, das sie optimal auf die besondere Situation vorbereitet. Und mehr noch: »Sie können ihr Probespiel unter Realtime-Bedingungen vor Philharmonikern üben und erhalten von diesen ein ehrliches Feedback. Wenn es ihnen gelingt, die Anregungen und Ratschläge umzusetzen, gibt es oft erstaunliche Entwicklungen.«
Eine große Familie
Peter Riegelbauer weiß aus eigener Erfahrung, was ein gutes Mentoring bewirken kann: »Als ich nach meiner Ausbildung an der Nürnberger Musikhochschule an die Akademie kam, lernte ich eine vollkommen andere Herangehensweise ans Musizieren kennen. Ich habe etwas eng und verhalten gespielt. Mein Lehrer – der ehemalige Solokontrabassist Rainer Zepperitz – hat mich ermutigt, großzügig, körperlich, selbstbewusst und frei zu spielen. Das war für mich ein grandioses, beglückendes Erlebnis. Ich weiß also noch sehr gut, wie es sich anfühlt, hier ein Stipendiat zu sein.« Wichtig ist ihm, dass die jungen Instrumentalistinnen und Instrumentalisten die besten Bedingungen vorfinden und die Orchesterarbeit auf höchstem Niveau stattfinden kann. Auch wenn es nicht allen gelingt, eine Stelle bei den Berliner Philharmonikern zu bekommen, so finden doch die meisten Absolventinnen und Absolventen eine Position in einem der großen deutschen oder internationalen Orchester. Nach all den intensiven positiven Erfahrungen fällt den meisten die Trennung von der Akademie sehr schwer. Riegelbauer schmunzelt: »Trotz aller harter Arbeit: Die Atmosphäre bei uns ist doch sehr kollegial. Wir fühlen uns wie eine große Familie.«

(Foto: Sebastian Hänel)
Konzertvideos
Behind the scenes
Konzerte
28. Sep 2023,
17.00 Uhr
Kammermusiksaal
09. Okt 2023,
20.00 Uhr
Kammermusiksaal
Karajan-Akademie | Aboserie: KA – Karajan-Akademie
Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker
Oscar Jockel Dirigent
Veronika Eberle Violine
Werke von Giovanni Gabrieli, Oscar Jockel, Alban Berg und Ludwig van Beethoven
04. Nov 2023,
19.00 Uhr
Kammermusiksaal
Karajan-Akademie | Aboserien: KA – Karajan-Akademie, W – Artist in Residence
Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker
Lisa Batiashvili Violine und Leitung
Werke von Antonín Dvořák, Gija Kantscheli und Peter Tschaikowsky
07. Nov 2023,
17.00 Uhr
Kammermusiksaal
05. Dez 2023,
17.00 Uhr
Kammermusiksaal
17. Dez 2023,
20.00 Uhr
Kammermusiksaal
Karajan-Akademie | Aboserie: KA – Karajan-Akademie
Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker
Reinhard Goebel Dirigent
Werke von Johann Joachim Quantz, Johann David Heinichen, Johann Sebastian Bach, Giuseppe Torelli, Arcangelo Corelli, Pietro Antonio Locatelli und Marc-Antoine Charpentier
18. Jan 2024,
17.00 Uhr
Kammermusiksaal
22. Feb 2024,
17.00 Uhr
Kammermusiksaal
04. Apr 2024,
17.00 Uhr
Kammermusiksaal
23. Apr 2024,
20.00 Uhr
Kammermusiksaal
Karajan-Akademie | Aboserie: KA – Karajan-Akademie
Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker
Marc Minkowski Dirigent
Alina Wunderlin Sopran
Miriam Albano Mezzosopran
Damen des RIAS-Kammerchor
Akademistinnen des RIAS Kammerchor Studios
Werke von Franz Schubert und Felix Mendelssohn Bartholdy
08. Mai 2024,
17.00 Uhr
Kammermusiksaal
17. Mai 2024,
20.00 Uhr
Kammermusiksaal
Karajan-Akademie | Aboserie: KA – Karajan-Akademie
Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker
Kirill Petrenko Dirigent
Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy und Jörg Widmann
11. Jun 2024,
17.00 Uhr
Kammermusiksaal