Melancholisch, geheimnisvoll, sinnlich
Zehn Jahre Bolero Berlin
Lateinamerikanische Musik im philharmonischen Sound – das ist das Markenzeichen von Bolero Berlin. Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Ensemble hatte Martin Stegner, der seit 1996 als Bratscher zu den Berliner Philharmonikern gehört. Der Musiker, der sich schon seit seiner Kindheit sowohl für Klassik als auch Jazz begeistert, wollte vor zehn Jahren eine Formation gründen, in der er beide Vorlieben vereinen kann. Damals hatte er gerade den kubanischen Bolero entdeckt, der so ganz anders ist als der spanische, und war von dessen Stil sofort verzaubert: »Mich hat die Stimmung dieser Musik inspiriert. Der kubanische Bolero ist melancholisch, geheimnisvoll, sinnlich, im Tempo langsam und voller wunderbarer Melodien.« Hinzu kam der warme, dunkle, weiche Klang, der den kubanischen Bolero prägt und den Bratscher besonders anspricht: »Ich bin mit meinem Instrument in den Mittelstimmen des Orchesters zu Hause. Ich wollte bei dem Ensemble alles Grelle vermeiden.« Unter seinen Orchesterkollegen fand er schnell Gleichgesinnte, die bereit waren mitzumachen: der Klarinettist Manfred Preis, Solobassist Esko Laine und der Schlagzeuger Raphael Haeger, der bei Bolero Berlin als Pianist auftritt. Hinzu kamen noch zwei »richtige« Jazzmusiker, der Gitarrist Helmut Nieberle sowie der argentinische Percussionist Daniel »Topo« Gioia. Dass sich gerade diese sechs Musiker gefunden haben, empfinden sie heute als besonderen Glücksfall. »Wir freuen uns auf jedes Konzert, und wir haben einen sehr entspannten, respektvollen Umgang. Daran hat sich in den zehn Jahren nichts geändert.«
Ein ganz spezieller Sound
Was sich hingegen verändert hat, ist die Art des Zusammenspiels. Der Klang sei – so Stegner – heute ausbalancierter, stimmungs- und farbenreicher. »Außerdem haben wir gelernt, wie wir die anderen Musiker beim Spiel besser unterstützen können.« Zusammen mit der kammermusikalischen Spielweise und der philharmonischen Klangkultur besitzt Bolero Berlin heute einen eigenen, unverwechselbaren Klangcharakter. Bei der Gründung wusste keines der Mitglieder, ob dieses Konzept funktioniert. Sie waren sich bewusst, dass sich in dieser Formation zwei stilistische Bereiche vereinen, die eigentlich nicht zusammengehören – zumindest bei vielen Veranstaltern nicht. »Die denken noch sehr in Schubladen«, bedauert Martin Stegner. »Die Organisatoren von klassischen Konzerten wagen nicht, ihrem Publikum Jazzklänge zu bieten, die Jazz-Veranstalter hingegen zweifeln, ob wir philharmonischen Musiker bei Jazz und lateinamerikanischer Musik den richtigen Groove hinkriegen.« Da würde sich Martin Stegner von den Verantwortlichen mehr Mut wünschen. In ihrem Jubiläumsprogramm kombinieren die Musiker Titel wie Consuelo Velázquez‘ »Bésame mucho« und Django Reinhardts Troublant Boléro mit bekannten Opernmelodien, die von Helmut Nieberle für den speziellen Stil des Ensembles arrangiert wurden. »La donna è mobile« aus Giuseppe Verdis Rigoletto und Richard Wagners »Lied an den Abendstern« kommen auf einmal ziemlich lateinamerikanisch daher. »Unser Ziel ist,« meint Martin Stegner, »die Hörer immer wieder aufs Neue zu überraschen – mit bekannten Melodien in ungewohntem Klanggewand.«

(Foto: Timm Kölln)

(Foto: Monika Rittershaus)

(Foto: Monika Rittershaus)

(Foto: Privat)