Kaum ein Gastdirigent ist den Berliner Philharmonikern so lange und beständig verbunden wie Bernard Haitink. Im März 1964, nur wenige Monate nach der Eröffnung der von Hans Scharoun erbauten Philharmonie, stand der Niederländer zum ersten Mal am Pult des Orchesters. Damals war er 35 Jahre jung und seit drei Jahren Chef des Amsterdamer Concertgebouw Orchestra.
Ein unauffälliger Anfang
Sein Debüt stand im Schatten eines anderen philharmonischen Ereignisses: Claudio Arrau spielte einen Zyklus mit allen fünf Klavierkonzerten Ludwig van Beethovens. An den Abenden, die Haitink dirigierte, standen die Konzerte Nr. 1 und 5 auf dem Programm. Der Fokus der Konzertkritik lag natürlich auf dem Pianisten, der junge Dirigent wurde nur mit wenigen, wenngleich wohlwollenden Worten bedacht: Aufgeschlossen, aufmerksam und feinfühlig sei sein Dirigat gewesen, hieß es allgemein. Nur der Tagesspiegel prophezeite: »Es könnte sein, dass in ihm ein wirklicher Beethoven-Dirigent heranwächst, dessen der moderne Konzertsaal so dringend bedarf.« Der Kritiker sollte Recht behalten: Im Laufe weniger Jahre entwickelte sich Bernard Haitink zu einem Spezialisten für die Werke des Wiener Klassikers. Aber nicht nur das. Brahms, Bruckner, Mahler wurden zu weiteren Fixpunkten seines Repertoires. Er, der in den 1960er-Jahren maßgeblich zur Renaissance von Gustav Mahler beitrug, dirigierte die Symphonien des Komponisten seit Ende der 1980er-Jahre regelmäßig bei den Philharmonikern. Zudem begleitete er das Orchester auf mehreren Konzerttourneen und wirkte auch immer wieder bei den Salzburger Osterfestspielen mit, erstmals 1991, als er die Festspielinszenierung von Mozarts Le nozze di Figaro dirigierte.
Venedig und die Philharmoniker - ein bisschen anders als andere
»Man sagt ja über Venedig, alle Städte seien mehr oder weniger gleich, aber Venedig sei eben ein bisschen anders«, meinte Bernard Haitink in einem Interview der Digital Concert Hall. »Und das könnte man auch von den Berliner Philharmonikern sagen.« Die gegenseitige Sympathie zwischen Orchester und Dirigent ist offenkundig, die Zusammenarbeit wurde seit 2004 noch intensiviert. Kommt doch der Niederländer seither oftmals zwei Mal pro Saison zu den Berliner Philharmonikern. Vor wenigen Wochen leitete er die Aufführung von Gustav Mahlers Neunte Symphonie. Nun kehrt er ans Pult der Philharmoniker zurück – als Einspringer für den erkrankten Zubin Mehta. Auf dem Programm stehen Anton Weberns Passacaglia, Alban Bergs Violinkonzert »Dem Andenken eines Engels« mit Leonidas Kavakos als Solist und Antonín Dvořáks Siebte Symphonie, ein Werk das Haitink zuletzt 2004 bei dem Orchester dirigiert hat.