
Die Berliner Philharmoniker in der Elbphilharmonie
Unsere Musiker über einen spektakulären Konzertsaal

Soviel steht jetzt schon fest: Die Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie ist eines der herausragenden Ereignisse des internationalen Musiklebens in dieser Saison. Am 7. Mai haben die Berliner Phlilharmoniker und Sir Simon Rattle zum ersten Mal in dem spektakulären Gebäude ein Gastspiel gegeben. Auf dem Programm standen Anton Bruckners Achte Symphonie und ein kurzes neues Werk namens Surcos von Simon Holt. Presse und Publikum reagierten begeistert. Aber wie haben die Orchestermusiker den neuen Saal empfunden? Wir haben einige von ihnen gefragt.
Daniel Stabrawa, 1. Konzertmeister
An einem neuen Konzertsaal gibt es immer viel zu entdecken. Wie er aussieht, wie man sich hier fühlt und vor allem: wie er klingt. Man kommt zur Probe, spielt ein paar Töne und findet den Klang ganz annehmbar. Aber die spannende Frage ist natürlich, wie das volle Orchester klingt, wie sich der Klang verteilt, ob man sich selbst gut hört. Und in dieser Hinsicht ist die Elbphilharmonie wirklich fantastisch. Es spielt sich sehr angenehm, der Klang ist schön. Wobei wir nicht einschätzen können, wie er auf das Publikum wirkt und ob die Akustik im ganzen Auditorium gleich gut ist. Aber auf der Bühne klingt der Saal großartig. Simon hat sich zwar beschwert, wir würden zu aggressiv spielen, aber das habe ich anders empfunden. Mag sein, dass der Klang dem Publikum gelegentlich etwas offensiv erscheint, aber das ist bei einem neuen Saal fast normal. Es braucht eben noch ein wenig Patina, etwas Schmutz auf den Wänden und auf dem Boden, dann wird der Klang auch weicher werden.
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(Foto: Monika Rittershaus)
Raphael Haeger, Schlagzeug
Ich finde, der Saal ist wunderschön geworden. Er garantiert jedem Besucher auf jedem Platz ein tolles Konzerterlebnis. Auch auf der Bühne spielt es sich sehr angenehm. Man hört und sieht sehr gut und fühlt sich als Musiker einfach wohl. Der Saal klingt ziemlich hart und sehr ehrlich – was in diesem Fall bedeutet, dass jeder kleine Fehler einer Aufführung genauso transportiert wird wie jedes schöne Detail. Viele andere Konzertsäle verschönern den Klang der Musiker. Das ist hier nicht der Fall. Aber egal, wie man zu diesem ehrlichen, direkten Klang steht, ist der Saal eine große Bereicherung für Hamburg und überhaupt für die deutsche Klassikszene.
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Walter Seyfarth, Klarinette
Schon die unglaubliche Lage der Elbphilharmonie ist faszinierend. Wie musizieren ja sonst am Tiergarten, insofern war es für uns ein besonderer Eindruck, von oben auf die Schiffe und das Wasser herunterzusehen: ein wunderbarer Auftakt zu unserer ersten Probe im neuen Saal. Die Probe hat Simon Rattle dann ganz großartig geleitet. Denn er hat versucht, unseren Berliner Bruckner-Klang an den neuen Raum anzupassen, indem wir Töne länger und mit größerem Atem spielen. Der Klang der Elbphilharmonie ist sehr direkt, und er hat auch nicht die Wärme, die wir aus unserer Philharmonie gewohnt sind. Insgesamt finde ich die Bühne etwas groß, sodass es uns schwerer fällt, uns selbst zu hören. Aber der Gesamteindruck ist natürlich großartig. Die Elbphilharmonie ist für Hamburg und für Deutschland ein unglaubliches Aushängeschild und ein riesiger Gewinn für unsere Kulturlandschaft.
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Matthew Hunter, Bratsche
Wenn wir als Orchester in einen neuen Raum kommen, versuchen wir natürlich, unseren über lange Zeit entwickelten Klang wiederzufinden. Auf der anderen Seite sollte man aufgeschlossen sein und nicht engstirnig am bestehenden Ideal festhalten. Mindestens so wichtig ist, dass wir einander auf der Bühne hören können, um unser kammermusikalisches Miteinander – das für unseren Orchesterklang zentral ist – zu realisieren. An der Elbphilharmonie gefällt mir der Eindruck von Weite. Etwas eigenartig ist, dass man sich hier im elften Stock eines Gebäudes befindet, aber das Gefühl hat sich schnell verflüchtigt. Was mich hier wirklich anspricht sind der Gebrauch von Holz im Raum und die Akustik-Panele der Wandverkleidung, die alle individuell gestaltet sind und unterschiedliche Klangreflexionen hervorrufen. Ich finde es wunderbar, dass es eineinhalb Stunden Zugfahrt von Berlin entfernt einen solchen hervorragenden Saal gibt, und ich bin sicher, er wird unter den großen Konzertsälen der Welt seinen Platz finden.
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(Foto: Monika Rittershaus)
Fergus McWilliam, Horn
Der erste Eindruck war überwältigend. Wie das Gebäude imposant, massiv, und monolithisch den ganzen Hafen überragt: Das ist ein unglaubliches architektonisches Statement. Als wir zum ersten Mal den Saal betreten haben, haben wir uns durch die Weinberg-Anordnung der Sitzplätze gleich zu Hause gefühlt. Es ist ein sehr heller und wahnsinnig hoher Raum. Dann haben wir angefangen zu spielen, und zumindest wir Hornisten hatten keine Probleme, uns selbst zu hören. Der Orchesterklang war sehr aufregend und sehr ausgewogen – wir haben uns gleich pudelwohl gefühlt. Sir Simon meinte allerdings, ein Forte werde hier sehr schnell sehr laut. Das konnte ich bestätigen, als ich mich während des kurzen Stücks von Simon Holt auf einen der Publikumsplätze setzte. Der Klang rollt sehr schnell und sehr unmittelbar auf einen zu, was aber nicht unangenehm ist. Ästhetisch und von der Raumwirkung her ist dies ein sehr angenehmer, attraktiver Saal. Und ich bin sicher, dass dieses fantastische neue Wahrzeichen nicht nur das Hamburger Musikleben prägen wird, sondern das Gesicht der Stadt insgesamt.
Knut Weber, Cello
Für mich war es unglaublich spannend, in diesem prominenten neuen Saal zu spielen, über den in letzter Zeit so viel gesprochen und geschrieben wurde. In der Anspielprobe benötigten wir dann etwas mehr Zeit als sonst, um uns ganz auf die Akustik einzustellen, da wir von unserem Berliner Saal mehr Wärme gewöhnt sind. Mit Publikum fühlte sich der Orchesterklang dann aber deutlich vertrauter an. Ich persönlich fand im Konzert etwas schade, dass die Zuhörer so hell beleuchtet waren. Dadurch geht eine gewisse Intimität verloren, die ich beim Musizieren sehr schätze.
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