
(Foto: Maarit Kytoharju)
Genau zwei Jahre ist es her, als die Berliner Philharmoniker die Deutsche Erstaufführung von Kaija Saariahos Orchesterwerk Vista spielten. Beim Schreiben des Werks – so die Komponistin in einem Interview – habe sie die Dirigentin Susanna Mälkki im Kopf gehabt, mit der sie über 20 Jahre zusammenarbeite und die das Werk nach der Uraufführung in Helsinki in Berlin leitete.
Genauso lange gehören die irisierenden, schillernden und gleichzeitig kraftvollen Kompositionen der finnischen Komponistin zum Repertoire der Berliner Philharmoniker. Im Dezember 2001 setzten sie mit Graal Théâtre für Violine und Orchester (Solist: Gidon Kremer) erstmals ein Stück von Kaija Saariaho aufs Programm. Nur ein Jahr zuvor hatte die Komponistin mit der Aufführung ihrer Oper L’amour de loin bei den Salzburger Festspielen ihren internationalen Durchbruch erlebt. Von da an avancierte die Schülerin von Paavo Heininen, Brian Ferneyhough und Klaus Huber, die zudem zu den Mitbegründern der kreativen finnischen Gruppe »Ears Open« gehört, zu einer der meistgespielten Komponist*innen unserer Zeit.
Drei Jahre nach Graal Théâtre leitete Sir Simon Rattle die Aufführungen ihres Orchesterwerks Orion, dessen gleißende Klänge von dem gleichnamigen mythischen Himmelsjäger inspiriert wurden. Anschließend folgten eine Reihe von Kompositionsaufträgen: Im März 2006 spielten die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattles Leitung die Uraufführung ihrer sphärischen Komposition Asteroid 4179: Toutatis, 2009 dann die Premiere von Laterna Magica. Der Titel nimmt Bezug auf die gleichnamige Autobiografie des Filmregisseurs Ingmar Bergman, gleichzeitig ließ sich Kaija Saariaho von dessen cineastischer Lichtregie zu sehr subtilen, farbenreichen Klangnuancierungen anregen. Zuletzt gehörten die Berliner Philharmoniker mit zu den Auftragsgebern des eingangs erwähnten Orchesterwerks Vista. Auch abseits der großen Orchesterkonzerte erklangen ihre Werke – in Kammermusikaufführungen des Scharoun Ensembles Berlin und der Karajan-Akademie, die 2015 ihr Oratorium La Passion de Simone interpretierten.
Kaija Saariaho besaß ein untrügliches Gespür für Orchesterfarben, sie gestaltete den Klang wie eine Skulptur, öffnete in ihren Werken neue orchestrale Klangräume. Ihr Stil wurde dadurch mitgeprägt, dass sie ihre Erfahrungen, die sie mit elektronischer Klanggestaltung gemacht hat, auf die Instrumentalmusik übertragen hat. »Das hat mir geholfen, neue Wege zu Klangfarben und zur Orchestrierung zu finden«, erzählte die Komponistin. Sie selbst, die voller Neugier und Experimentierfreude war, wünschte sich, dass ihre Musik die Neugier des Publikums weckt. »Ich hoffe, dass meine Musik auf möglichst offene Ohren trifft.« Mit Kaija Saariaho, die am 2. Juni in Paris verstarb, ist eine der wichtigsten Stimmen in der zeitgenössischen Musik verstummt.