Uraufführungen im Doppelpack

Lisa Streich und Julia Wolfe im Interview

Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker präsentierten im Juni 2023 zwei Uraufführungen: Für die Schwedin Lisa Streich ist Komponieren immer wieder wie ein Befreiungsschlag, eine Welt, in der sie sich komplett auszudrücken vermag. Mit ihrem neuen Werk ISHJÄRTA will sie »die feine Intonation des Orchesters ausreizen«. Julia Wolfe, das Enfant terrible der US-amerikanischen Avantgarde-Szene, ist mit Rock ’n’ Roll aufgewachsen und hat gleichzeitig klassisches Klavier studiert. Ihre Neukomposition Pretty stellt die Frage, wie wir heute Frauen ansehen. Lernen Sie die Komponistinnen in unseren Videointerviews kennen.

Lisa Streich im Interview


Die im schwedischen Norra Rada geborenen Lisa Streich versucht nicht, perfekte Stücke zu schreiben, sondern sie findet es vielmehr spannend, neue Dinge zusammenzubringen. Sie schreibt gerne das, was sie hören will und was sie woanders noch nicht gefunden hat. Mit dieser Vorgehensweise ist die Schwedin, die unter anderem bei Adriana Hölszky und Johannes Schöllhorn Komposition studiert hat, außerordentlich erfolgreich. 2017 wurde ihr der renommierte Ernst von Siemens Musikpreis zuerkannt, sie gewann den Rompreis der Villa Massimo und wurde auserkoren, 2021 das obligatorische Auftragswerk für den ARD-Musikwettbewerb zu schreiben, eine Ehre, die in früheren Jahren Mauricio Kagel oder Wolfgang Rihm zuteilgeworden war. Im gleichen Jahr brauchte die Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker ihr Werk Himmel zur deutschen Erstaufführung. Lisa Streich verbrachte viele Jahre in verschiedenen Metropolen Europas, sie spricht vier Sprachen fließend, und lebt heute auf der Insel Gotland.
 

Julia Wolfe im Interview


Julia Wolfes Karriere begann als Enfant terrible der US-amerikanischen Avantgarde-Szene, als sie 1987 mit zwei Kollegen das New Yorker »Bang on a Can«-Festival gründete, das mit seiner Offenheit allen undogmatischen, schrägen und experimentellen Ansätzen gegenüber für frischen Wind in der Musikszene sorgte. Inzwischen kann sie zwei Grammy-Nominierungen, CD-Veröffentlichungen bei den renommiertesten Plattenfirmen, eine Professur an der New York University und die Auszeichnung von Musical America als »Komponistin des Jahres 2019« vorweisen. Politisches und soziales Engagement spielt in ihren Werken heute eine wichtige Rolle, wofür sie sogar ein neues Genre kreiert hat: Musikalische Dokumentationen, in denen, ähnlich wie im klassischen Oratorium, Geschichten erzählt werden. Das gilt z. B. für Anthracite Fields für Chor und Instrumente, das von den Menschen erzählt, die im Kohlerevier von Pennsylvania ihr Leben fristeten. 2015 erhielt sie dafür den Pulitzer-Preis.

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