Voller Neugier und Begeisterung

Die Geigerin Antje Weithaas im Gespräch

Geigerin Antje Weithaas
(Foto: Giorgia Bertazzi)

Begeisterungsfähigkeit, Neugier und Reflexionsvermögen prägen Antje Weithaas’ Persönlichkeit. Dank dieser Eigenschaften und ihrer mitreißenden musikalischen Ausdruckskraft ist die Geigerin eine vielbeschäftigte Solistin und Kammermusikerin sowie eine geschätzte Pädagogin. Viele ihrer ehemaligen Schülerinnen und Schüler sind heute erfolgreiche Profis, einige von ihnen stehen im Konzert am 15. März mit ihr auf der Bühne. Im Interview erzählt Antje Weithaas, warum ihr das Programm so viel Spaß macht und was ihr als Musikerin und Lehrerin wichtig ist.

Das Konzert am Dienstag muss für alle Beteiligten etwas ganz Besonderes sein. Wie entstand die Idee zu diesem Abend?

Die Initiative ging von den Musikerinnen und Musikern aus. Als sie an mich herantraten und mich fragten, ob ich mitmachen würde, war ich richtig gerührt. Ich habe mich sehr gefreut, noch dazu weil sie auch das Organisatorische übernommen haben, das ist nicht selbstverständlich.

Sie spielen Streichermusik der Romantik und der Moderne. Nach welchen Aspekten haben Sie das Programm zusammengestellt?

Da das Konzert zur Reihe »Lost Generation« gehört, hatten wir die Vorgabe, ein Werk von einem Komponisten zu spielen, der zu dieser »verlorenen Generation« gehört. Wir haben uns deswegen für die Partita von Gideon Klein entschieden. Ansonsten konnten wir unserer Fantasie freien Lauf lassen. Wir mussten natürlich schauen, was für unsere kleine Besetzung möglich ist, was zusammenpasst, wo sich die Musiker gut präsentieren und welche Werke uns Spaß machen.

Sie sind auch die Solistin in dem d-Moll-Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy ...

Ich finde, das ist ein großartiges Werk, das zu Unrecht viel zu selten gespielt wird. Natürlich merkt man dem Stück an, dass Mendelssohn erst 13 Jahre alt war, als er das Konzert schrieb, aber sein Genie spürt man in jeder Note. Das Konzert hat bereits diese typische mendelssohnsche Energie und Lebendigkeit.

Das Programm wird mit der Partita von Gideon Klein eröffnet. Ein Werk, das der Komponist im Konzentrationslager Theresienstadt geschrieben hat. Hört man dem Stück an, unter welchen Bedingungen es entstanden ist?

Die Partita scheint eine große Lebensfreude auszustrahlen, aber es gibt auch eine andere Ebene. Ich finde, im zweiten Satz hört man sehr gut, in welcher seelischen Verfassung Klein gewesen sein muss. Darin ähnelt sein Werk dem Divertimento von Bartók, mit dem wir das Programm schließen. Es entstand kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs und zeigt deutlich Bartóks desolaten emotionalen Zustand. Wie bei Klein offenbart auch hier der zweite Satz, wie niedergedrückt der Komponist war. Das Divertimento ist zwar sehr effektvoll und folkloristisch, aber es besitzt auch eine große Tiefe und eine enorme emotionale Bandbreite.

Mit welchen Emotionen haben wir es in Tschaikowskys Serenade zu tun?
Tschaikowsky ist für mich ein sehr eleganter Komponist, mit einer unglaublichen Sehnsucht. Von seinen russischen Kollegen wurde er ja gar nicht so richtig anerkannt, er blieb ein Außenseiter. Ich höre aus seinen Werken einen Hang zur französischen Musik, aber auch seine russische Seele. Seine Musik – gerade in der Serenade – schwingt tänzerisch. Sie ist melancholisch, poetisch, duftig. Man spürt, dass Tschaikowsky ein großartiger Ballettkomponist war.

Sie sind nicht nur Solistin und Kammermusikerin, sondern auch eine gefragte Lehrerin. Bei Ihnen studieren zu dürfen gilt als musikalischer Ritterschlag. Was muss eine Geigerin oder ein Geiger mitbringen, um Sie als Lehrerin zu gewinnen?

Ich möchte der- oder demjenigen gerne zuhören, durch das Spiel berührt werden und eine Art von Musikalität und ein Mittteilungsbedürfnis spüren, die man eigentlich nicht lehren kann. Ich kann den jungen Leuten die Mittel in die Hand geben, wir können über Musik reden und sie analysieren, aber wer nicht die Bereitschaft mitbringt, seine Emotionalität zu zeigen, sein Innerstes mit Hilfe des Instruments nach außen zu bringen, bei dem bleibt es nur Handwerk.

Ich habe einen Ihrer Schüler gefragt, was Sie als Lehrerin so besonders macht. Und der meinte, er konnte noch so gut vor- bereitet zu Ihnen in die Stunde kommen, Sie haben immer noch viele Aspekte gefunden, an denen er dann weiterarbeiten konnte. Worauf legen Sie beim Unterrichten Wert?

Meine eigentliche Idee ist, dass ich die jungen Menschen zum selbstständigen Denken anrege und die Bereitschaft fördere, ständig alles zu reflektieren und immer wieder mit neuem Blick an ein Stück heranzugehen. Mir ist es außerdem wichtig, den Schülern das Vertrauen zu geben, auf diese Art zu arbeiten. Es geht mir darum, dass sie aus der Partitur heraus und mit dem Wissen um die Emotionalität des Komponisten eine sehr individuelle Interpretation schaffen.

Wenn Sie nun mit ihren ehemaligen Studentinnen und Studenten, die ja alle einen sehr erfolgreichen Berufsweg eingeschlagen haben, auf der Bühne sitzen, welche Empfindungen haben Sie da?

Es ist ein wunderbares Gefühl. Ich finde es großartig zu erleben, dass meine Anregungen auf fruchtbaren Boden gefallen sind, und ich freue mich zu sehen, wie sehr sie sich künstlerisch weiterentwickelt haben.

Die Fragen stellte Nicole Restle

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