Hande Küden

Wenn ich nicht Musikerin wäre …

Hande Küden spielt Tischtennis
(Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz)

In dieser Rubrik stellen wir Berliner Philharmoniker und ihre außermusikalischen Leidenschaften vor. Heute: Hande Küden, die gern Tennis am Tisch spielt.

Die Leidenschaft fürs Tischtennis hat Hande Küden von ihren Eltern mitbekommen. Sie hatten sich damit als Studenten die Zeit zwischen den Vorlesungen vertrieben, und auch später, als beide schon längst eine Professur an der Universität innehatten, entspannten sie sich am liebsten bei diesem Sport. Ein ansteckendes Vorbild. Als Neunjährige griff Hande Küden im Sommerurlaub zum ersten Mal nach einem Tischtennisschläger – und gewann bereits nach zwei Wochen ein Turnier. »Das war nur so ein kleiner Wettbewerb, zwischen den Leuten, die dort Urlaub gemacht haben. Aber für mich war das ein großes Erfolgserlebnis.« Nahezu zeitgleich entdeckte Hande Küden eine weitere Passion, das Geigenspiel. »In einem Konzert sah ich eine junge Geigerin und ich war sofort in das Instrument verliebt. Ich wusste, ich will genau das Gleiche machen, wie die Musikerin dort oben auf der Bühne.« Ihre Mutter versuchte sie zum Klavier zu überreden, weil das doch leichter zu lernen sei. Es nützte nichts. Die Tochter hatte sich die Geige in den Kopf gesetzt. Basta.

Sie lernte beides professionell – das Tischtennisspiel ebenso wie das Geigenspiel. Beim Tischtennis wurde sie schnell so gut, dass sie fast ihren Trainer überflügelt hätte. Eine Profisportlerlaufbahn lag durchaus im Bereich des Möglichen. »Ich war bei diesem Sport schon sehr ambitioniert«, meint sie. Beim Geigenspiel stellten sich die Erfolgserlebnisse nicht so schnell ein, es brauchte Geduld und Durchhaltevermögen, um ein gewisses Niveau zu erreichen. Hande Küden brachte beides auf, weil sie den besonderen Klang der Geige von Anfang an so sehr liebt. Und so entschied sie sich, trotz ihrer Fortschritte und Erfolge beim Tischtennis, letztlich für eine Karriere als Geigerin. Was bei dieser Entscheidung den Ausschlag gab? »Beim Tischtennis geht es darum, gegeneinander zu spielen. Ich trete an, um einen Gegner zu schlagen und selbst zu gewinnen. Es ist immer ein Wettbewerb. Nicht so bei der Geige: Die spiele ich vor allem für mich selbst. Ich kann alleine spielen, aber auch mit anderen zusammen. Musik basiert auf Kooperation, nicht auf Gegnerschaft.« Hande Küden genoss es sehr, mit anderen zusammen Musik zu machen und im Ensemble oder im Orchester zu spielen.

Tischtennis ist ihr jedoch ein wichtiger Ausgleich – weil der Körpereinsatz ein ganz anderer ist, als bei der Geige. »Die linke Hand, die auf der Geige die Töne greift, spielt beim Tischtennis gar keine Rolle. Nur die rechte Hand ist wichtig. Fürs Tischtennis brauche ich viel Kraft, um den Ball kontrollieren zu können. Das Geigenspiel hingegen verlangt Zartheit und Sensibilität.« Durch ihre sportliche Betätigung hat Hande Küden auch einiges gelernt, was ihr in ihrem Beruf als Musikerin zugutekommt, beispielsweise, sich die Kräfte gut einzuteilen. »Ich darf bei einem Wettkampf nicht von Anfang an alles geben, sondern muss kalkulieren, wie ich meine Energie bis zum letzten Schlag verteile. Gleiches gilt für ein Konzert, in dem ich anderthalb Stunden ohne Pause eine Mahler-Symphonie spiele.«

Seit Hande Küden in ihrer Heimat Türkei im Fernsehen die Übertragung eines Silvesterkonzerts der Berliner Philharmoniker gesehen hat, verspürte sie den großen Wunsch, selbst in diesem Orchester zu musizieren, und sie versuchte zielstrebig, ihren Traum zu realisieren. 2012 kam sie zum Studium nach Berlin, wurde später Stipendiatin der Karajan-Akademie, stellvertretende Konzertmeisterin im Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und schließlich Mitglied der Berliner Philharmoniker. Tischtennis bot ihr auch in Deutschland eine willkommene Abwechslung zum Orchesteralltag. Sie freute sich, dass die Stadt voller Betonplatten ist, auf denen sie regelmäßig Tischtennis spielen kann – im Tiergarten, im Hof ihres Wohnhauses … »Ich habe gehört, es soll sogar eine Tischtennisplatte in einem Raum der Philharmonie gegeben haben, auf der in den Pausen gespielt wurde.« Einen Verein, in dem sie ihr sportliches Talent einbringen kann, hat sie in Berlin allerdings noch nicht gefunden, weil es im Tischtennis – wie es Hande Küden scheint – überwiegend Herrenmannschaften gibt. Von ihren Kolleginnen und Kollegen hingegen teilen ein paar ihre Begeisterung für den Sport. Und wer weiß, vielleicht wird ja auch mal wieder eine Tischtennisplatte in der Philharmonie aufgestellt.

Nicole Restle

Eine Reihe aus Phil – Das Magazin der Berliner Philharmoniker
 


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