Das Kyiv Symphony Orchestra gastiert in der Philharmonie Berlin
(Foto: Dmytro Larin)
Seit 40 Jahren gehört das Kyiv Symphony Orchestra zu den Leuchttürmen des ukrainischen Musiklebens. Um ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen, tourt das Orchester durch Deutschland und gastiert in sieben deutschen Konzerthäusern. Am 27. April präsentiert es ein ukrainisches Programm bei uns in der Philharmonie Berlin.
Im Januar 2022 feierte es noch mit einem Konzert die Eröffnung des Ljatoschynskyj-Clubs, einer Einrichtung zur Förderung unbekannter ukrainischer Musik. Im März wollte das Kyiv Symphony Orchestra zusammen mit dem Bass-Bariton Matthias Goerne einen Wagner-Abend geben. Doch der russische Überfall auf die Ukraine setzte all diesen Plänen ein jähes Ende. »Ich kann nicht glauben, dass das wirklich passiert …«, schrieb Chefdirigent Luigi Gaggero in einem Statement für die Neue Musikzeitung. Fassungslos beschreibt er hier, wie seine Musiker zum Schutz vor den Bomben »in einem Keller, in einer Tiefgarage oder in einer der U-Bahn-Stationen übernachten«.
Der Italiener leitet den Klangkörper seit 2018. Ihn begeistert die Offenheit und Neugier, die seine Musikerinnen und Musiker sowie das Publikum dem europäischen Repertoire und der Musiktradition des eigenen Landes entgegenbringen: »Ich hatte das Glück, viele Konzerte in Kiew zu dirigieren, bei denen Komponisten wie Sciarrino, Gervasoni, Grisey, Ligeti oder junge lebende Autoren vorgestellt wurden, und die Theater waren ausverkauft: Jedes Mal fühlte ich mich wie bei einer Verdi-Premiere an der Mailänder Scala!«
Die gemeinsame Arbeit haben Luigi Gaggero und das Kyiv Symphony Orchestra, das auch regelmäßig bei großen nationalen Ereignissen auftritt, zusammengeschweißt. Was Luigi Gaggero an dem Klangkörper schätzt? »Die Ukrainer haben eine unverwechselbare Art zu spielen, bei der in jeder Note eine ethische Verantwortung mitschwingt.« Zudem ist das Kyiv Symphony Orchestra der einzige Klangkörper in der Ukraine, der zur Nachwuchsförderung eine eigene Orchesterakademie ins Leben gerufen hat.
Das Konzertprogramm ihrer Deutschland-Tournee nimmt das Publikum mit auf eine Reise durch die ukrainische Musikgeschichte: Maxim Berezovsky, ein Zeitgenosse von Haydn und Mozart, schrieb seine kürzlich wiederentdeckte Symphonie in C-Dur 1773 ganz im Stil der Wiener Klassik. Das heitere, lichte Werk verrät nichts über das tragische Lebensschicksal Berezovskys, der an einer Liebe zerbrach, die von einem eifersüchtigen Grafen zerstört wurde.
Der 1895 geborene Borys Ljatoschynskyj, einer der bedeutendsten Komponisten des Landes und Namensgeber des eingangs erwähnten Clubs zur Förderung ukrainischer Musik, erregte mit seiner Musik immer wieder das Missfallen des Sowjet-Regimes. So musste er das Finale seiner Dritten Symphonie, das das Motto »Der Friede wird den Krieg besiegen« trug, komplett umarbeiten.
Das Kyiv Symphony Orchestra stellt uns das Werk in seiner Urfassung von 1951 vor. Miroslaw Skoryk lebte von 1938 bis 2020 und ist der jüngste der drei Komponisten. Von ihm erklingt die im romantischen Stil konzipierte Melodie erklingt. Neben den Werken ukrainischer Komponisten interpretiert das Kyiv Symphony Orchestra noch ein französisches Stück: Ernest Chaussons Poème für Violine und Orchester mit der aus der Ukraine stammenden Geigerin Diana Tishchenko als Solistin.
Solistin: Diana Tishchenko Violine
Die auf der Krim geborene Diana Tishchenko gilt als eine der aufregendsten Nachwuchsgeigerinnen der letzten Jahre. »Mit einem Ton unablässiger, nuancenreicher Intensität öffnet sie den Blick auf das innere Drama der Stücke. Schlichtweg genial!«, lobte Der Tagesspiegel ihr Spiel. 2018 gewann sie beim berühmten Long-Thibaud-Crespin-Wettbewerb den Grand Prix Jacques Thibaud, 2019 wurde ihr Debütalbum Strangers in PARadISe veröffentlicht. Im Rahmen der Rising-Stars-Serie der European Concert Hall Organisation (ECHO) wird Diana Tishchenko in der kommenden Saison in zahlreichen großen Konzertsälen Europas auftreten. Diana Tishchenko konzertierte bereits mit vielen bedeutenden Klangkörpern und Dirigenten bei Festivals in Deutschland und Frankreich. Neben ihren solistischen Auftritten spielt Diana Tishchenko leidenschaftlich gern Kammermusik, außerdem arbeitet sie mit Ensembles der Alten Musik wie der zeitgenössischen Musik zusammen.