Richard Straussʼ Oper
»Die Frau ohne Schatten«:

Die Handlung in 3 Schwierigkeitsgraden

Gustav Klimt: Die drei Lebensalter einer Frau (Le tre età della donna), Zuschnitt
(Foto: Sailko, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Die Berliner Philharmoniker führen bei den Osterfestspielen 2023 in Baden-Baden und danach konzertant in Berlin die 1919 uraufgeführte Oper Die Frau ohne Schatten auf. Ihre Handlung gilt als ebenso märchenhaft wie kompliziert. Das hat uns nicht davon abgehalten, sie für Sie in drei unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden zusammenzufassen. Das Ende verraten wir Ihnen aber nicht!

Grad 1 (leicht)

Ein Kaiser hat eine Frau aus der Geisterwelt geheiratet. Dass die Kaiserin kein Mensch ist, sieht man daran, dass sie keinen Schatten wirft. Der Vater der Kaiserin ist der Geisterkönig Keikobad. Eines Tages prophezeit er, dass die Kaiserin innerhalb von einem Jahr einen Schatten finden muss – sonst wird der Kaiser zu Stein und sie muss für immer alleine in die Geisterwelt zurückkehren.

Die Kaiserin sucht lange, bis sie eine Menschenfrau findet, die dazu bereit ist, ihren Schatten für große Reichtümer aufzugeben. Zuerst scheint dies der Kaiserin die einfachste Lösung zu sein. Doch sie lernt die Menschenfrau und deren Mann besser kennen und versteht nach und nach, dass das Paar bis zu seinem Lebensende unglücklich wäre, wenn die Menschenfrau ihren Schatten verliert. Die Kaiserin entscheidet, sich ihr eigenes Glück nicht mit dem Unglück anderer zu erkaufen. Ob es wohl die richtige Entscheidung ist?


Grad 2 (mittel)

Ein roter Falke führt einen Kaiser zu einer Gazelle, die sich vor seinen Augen in eine wunderschöne Frau verwandelt. Der Kaiser verliebt sich unsterblich in sie und macht sie zu seiner Kaiserin. Die Kaiserin hat keinen Schatten, denn sie ist die Tochter des Geisterkönigs Keikobad. Das Fehlen eines Schattens steht in der Oper auch dafür, dass sie keine Kinder bekommen kann. Schließlich bringt ein Bote aus der Geisterwelt eine Nachricht vom Geisterkönig Keikobad: Der Kaiserin läuft die Zeit davon. Hatte sie ursprünglich ein Jahr Zeit, muss sie nun in den nächsten drei Tagen einen Schatten werfen, sonst werde der Kaiser versteinern und sie müsse die Menschenwelt für immer verlassen.

Gemeinsam mit der ihr ergebenen Amme macht sich die Kaiserin auf die Suche nach einem Schatten. Diesen hofft sie bei einem anderen kinderlosen Paar zu finden: Barak, dem Färber, und seiner Frau. Die Amme verspricht der Färberin ungeahnte Reichtümer, wenn sie der Kaiserin ihren Schatten überlässt. Doch damit muss die Färberin auch jegliche Hoffnung auf ein Kind für immer aufgeben. Sie akzeptiert, obwohl Baraks sehnlichster Wunsch ist, mit ihr eine Familie zu gründen.

Das Ehepaar schläft nun in getrennten Betten und verliert noch mehr den Zugang zueinander, obwohl sie sich weiterhin lieben. Sie leiden beide und wissen nicht mehr, wie sie sich gegenseitig glücklich machen können. Die Kaiserin versteht nach und nach, welches Opfer das Menschenpaar für sie bringen würde und distanziert sich vom Pakt. Sie beschließt, den Schatten der Färberin nicht anzunehmen, obwohl dies bedeutet, dass der Kaiser zu Stein wird und sie zurück in die Geisterwelt muss.

Bühnenbildentwurf der Uraufführung in Wien 1919, Gemach der Kaiserin
(Foto: Die Frau ohne Schatten von Alfred Roller (Künstler/in) - Theatermuseum Wien, Austria - CC BY-NC-SA. )

Grad 3 (Experte)

»Die Frau ohne Schatten« ist eine als Märchen angelegte psychologische Studie zu vielen existenziellen Themen wie das »Menschsein«, die Liebe, die Ehe und die Fruchtbarkeit. In dieser Welt steht der Schatten für die Fähigkeit, Kinder zu gebären, und wird gleichzeitig direkt mit dem »Menschsein« verknüpft.

Der Schluss daraus könnte also lauten: Eine Frau, die keine Kinder bekommen kann, ist kein vollständiger Mensch. Und doch haben die Frauen in dieser Oper ihr Schicksal fest im Griff. Die Kaiserin, Tochter des Geisterkönigs Keikobad, lässt sich vom Vater ihr Schicksal nicht diktieren. Die Färberin stellt den Kinderwunsch ihres Mannes nicht an die erste Stelle und zieht sogar eine Trennung in Betracht. So sind die Schicksale der beiden Frauen eng miteinander verknüpft, und die Männer, so mächtig sie als Kaiser und König auch sein mögen, eher passive Zuschauer.

Kaiserin und Kaiser, Färberin und Färber: Alle diese Ehepartner lieben sich aufrichtig, finden aber erst im Laufe der Oper wirklich zueinander. Die Kaiserin bekommt Einblicke in das Leben der Färberin, was zu einer solchen Annäherung führt, dass sie auf das eigene Glück zum Wohle einer anderen verzichtet. Und siehe da: Es stellt sich heraus, dass auch aufrichtige Selbstlosigkeit zum vollwertigen »Menschsein« führen kann. Und da wir uns in einem Märchen befinden, darf natürlich ein Happy End, das alle Wünsche erfüllt, nicht fehlen. Das ändert aber nichts daran, dass auf dem Weg dahin die beiden Frauen die treibende Kraft sind.

Mascha Vannier

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