Zwischen den Fronten

Der historische Iwan Mazeppa

Gemälde von Iwan Mazeppa, Pawliszak, Wacław (1866-1905)
(Foto: Nationalmuseum Warschau, Public Domain)

Die Figur des Iwan Mazeppa hat verschiedenste Künstler inspiriert, unter ihnen Franz Liszt, Lord Byron, Rainer Maria Rilke, Bertolt Brecht – und natürlich Alexander Puschkin, dessen Dichtung Poltawa Tschaikowskys Oper zugrunde liegt. Die Anziehungskraft dieser Biografie erklärt sich leicht. Sie erzählt von Aufstieg und Fall eines Heerführers, von Krieg, Intrigen und der rauen Welt der Kosaken.

Um 1640 im polnisch beherrschten Teil der Ukraine geboren, machte der historische Iwan Mazeppa (gesprochen eher »Masepa«) als Page des Königs in Warschau Karriere. Schon dort beginnt die Überlieferung märchenhaft zu werden: Angeblich wurde er, als seine Affäre mit einer Aristokratin aufflog, von deren Ehemann aus Rache nackt auf den Rücken eines Pferdes gebunden und in die Wildnis getrieben. Hunderte Kilometer soll das Tier zurückgelegt haben, bis es erschöpft zusammenbrach, der halbtote Mazeppa von Kosaken aufgefunden und gesund gepflegt wurde.

Schritt für Schritt machte Mazeppa Karriere: erst, dank der in Polen erworbenen Bildung, als Sekretär des Heeresführers der Kosaken – und dann als dessen Nachfolger, ausgewählt vom Premierminister der Regentin Sophia, die für den minderjährigen Peter I. die Geschäfte führte. Jahrelang diente Mazeppa treu dem Zaren, schlug Schlachten gegen die Schweden und hielt aufmüpfige Separatisten in Schach, bis er die Seiten wechselte und im Pakt mit dem schwedischen König Karl XII. den Aufstand gegen Moskau wagte.

Die Schlacht bei Poltawa von 1709 brachte ihn zu Fall: Die vereinigten Truppen wurden von der Armee Peters I. besiegt und aufgerieben, Mazeppa floh mit dem Schwedenkönig ins Gebiet des heutigen Moldawien, das seinerzeit zum osmanischen Reich gehörte, wo er bald darauf starb.

In der jahrhundertealten Auseinandersetzung zwischen Russland, Polen und der Ukraine und ihren Volksgruppen diente die Figur Mazeppas wechselnden Zwecken – mal als heroischer Kämpfer für die nationale Selbstbestimmung, mal zum abschreckenden Beispiel als egoistischer Verräter. Puschkins kritische Haltung ist offensichtlich; sein Poem war auch als Huldigung an den neuen Zaren Nikolaus I. konzipiert, der ihn aus der Verbannung hatte zurückkehren lassen und dessen Wohlwollen sich der Dichter sichern musste.

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