Reich an Emotionen
Konzerte mit Kirill Petrenko

Aus vielen Blickwinkeln kann man den Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker in der Saison 2022/23 erleben: in der zeitgenössischen Musik, im klassisch-romantischen Kernrepertoire des Orchesters und im Musiktheater mit einem Hauptwerk von Richard Strauss.
Vom frühen Mozart bis zur Musik der unmittelbaren Gegenwart reicht das Repertoire der Werke, die Kirill Petrenko in der Saison 2022/23 dirigieren wird. Darunter finden sich klassisch-romantische Symphonien, Seltenes und Wiederzuentdeckendes aus verschiedenen Epochen, viel Musik mit Solo- und Chorgesang, mehr Moderne denn je, ein großes Oratorium und gleich zwei Opern. Wie stets hat das Eröffnungskonzert mit dem Chefdirigenten besonderes programmatisches Gewicht.
Nachdem Kirill Petrenko bislang Symphonien von Beethoven, Schubert und Brahms an den Saisonbeginn gestellt hat, ist nun Gustav Mahlers Siebte Symphonie an der Reihe, ihrem Komponisten zufolge sein »bestes Werk«. In ihren fünf Sätzen spannt sich ein überwältigender Reichtum an Emotionen auf, von zarten Hoffnungen, Krisen und Konflikten bis zu deren glücklicher Überwindung.
Im Zentrum: Mahler und Mozart, Beethoven und Brahms
Mahler markiert gewissermaßen den Abschluss des Repertoires, das Kirill Petrenko als Kern seiner Arbeit mit den Berliner Philharmonikern bezeichnet: die klassisch-romantischen Werke der deutsch-österreichischen Musiziertradition. An deren Beginn wiederum steht Wolfgang Amadeus Mozart, der in zwei Programmen auftaucht: mit seinem ersten Violinkonzert Anfang November sowie der Motette »Exsultate, jubilate« und der »Krönungsmesse« im Frühling.
Ludwig van Beethoven ist mit seiner Achten Symphonie vertreten, die Ende Januar auf dem Programm steht. Im selben Konzert wird ein Schlaglicht auf die Gattung der Variation geworfen – mit den Haydn-Variationen von Johannes Brahms und den ausdrucksstarken Variationen op. 31 von Arnold Schönberg. Die orchestrale Hochromantik wiederum kommt mit Robert Schumanns Vierter Symphonie zur Geltung.
Zu den Werken, die nach Kirill Petrenkos Überzeugung zu Unrecht selten zu hören sind, zählt die prachtvoll funkelnde fis-Dur-Symphonie von Erich Wolfgang Korngold. Vielfach präsent in seinen Konzerten ist die Moderne des 20. Jahrhunderts, angefangen mit Claude Debussys Tondichtung La Mer und den erwähnten Schönberg-Variationen. Zu nennen sind außerdem die frühe Symphonie von Bernd Alois Zimmermann und der griechisch-französische Avantgardist Iannis Xenakis mit seinem Werk Empreintes (Abdrücke).
Im Kontext der Biennale der Berliner Philharmoniker dirigiert Kirill Petrenko György Ligetis Orchesterstücke Atmosphères und Lontano, Schlüsselwerke der Neuen Musik, Paradebeispiele für Ligetis in feinstem Geflecht aufgefächerte Mikropolyphonie und deren subtile wie wuchtige Klangereignisse.
Neueste Musik mit dem Chefdirigenten
Der US-Amerikaner Andrew Norman schreibt aktuelle und dabei zugängliche Musik ganz eigener Art; sein Stück Unstuck verspricht eine spannende Begegnung. Nicht weniger als drei Uraufführungen repräsentieren die Neueste Musik in den Konzerten des Chefdirigenten. Darunter ist ein Werk des tschechischen Komponisten Miroslav Srnka, dessen Oper South Pole Kirill Petrenko 2016 an der Bayerischen Staatsoper erstmals der Öffentlichkeit präsentierte. Im Juni 2023 werden in einem Konzert gleich zwei neue Werke von Komponistinnen aus der Taufe gehoben: von Lisa Streich, der schwedischen Förderpreisträgerin der Ernst von Siemens Musikstiftung, und von der Pulitzer-Preisträgerin Julia Wolfe aus den USA.
Mit Felix Mendelssohn Bartholdys Elias dirigiert Kirill Petrenko in der Philharmonie Berlin ein großes oratorisches Werk – ein lang-gehegter Wunsch und eine Weiterführung seines Engagements für die Musik Mendelssohns. Schließlich werden im Zuge des Saisonschwerpunkts »Identitäten« zwei Opern zu erleben sein: Luigi Dallapiccolas Il prigioniero (Der Gefangene), komponiert in den 1940er-Jahren, ist eine Parabel auf die bedrohte Freiheit in Europa, ein aufrüttelndes Meisterwerk des engagierten Musiktheaters.
Zum anderen, als Kooperation mit den Osterfestspielen in Baden-Baden, ein wahrhaft monumentales Werk: Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss. Der »alte Zauberer«, wie Benjamin Britten ihn einmal nannte, hat mit seinem langjährigen Librettistenpartner Hugo von Hofmannsthal hier ein ab- und tiefgründiges Hauptwerk geschaffen, so komplex, dass selbst große Opernhäuser es nur in Jubeljahren aufs Programm setzen.