Porträt: Asmik Grigorian
Eintauchen in die tiefen Gewässer meiner Persönlichkeit

Eine einzige Rolle machte Asmik Grigorian quasi über Nacht weltberühmt: die Salome in Richard Strauss’ gleichnamiger Oper. Diese Partie stellte sie 2018 bei den Salzburger Festspielen so intensiv und überzeugend dar, dass es für sie am Schluss vom Publikum Standing Ovations gab und der Regisseur vor ihr auf offener Bühne einen Kniefall machte. Bereits im folgenden Jahr debütierte die gebürtige Litauerin an der New Yorker Metropolitan Oper und der Mailänder Scala. Seither ist sie auf den großen internationalen Opernbühnen zu Hause.
Asmik Grigorian wurde in eine Sängerfamilie hineingeboren; sowohl die Mutter als auch ihr Vater standen erfolgreich auf der Bühne. So war es für sie nur naheliegend, ebenfalls diesen Beruf zu ergreifen. Sie studierte Klavier, Chordirigieren und Gesang an der Litauischen Akademie für Musik und Theater und begann ihre Laufbahn zunächst an Opernhäusern im Baltikum. In ihren Anfangsjahren erarbeitete sie sich in kurzer Zeit mehr als 50 Partien. Ihre zugleich schlanke und zupackende Stimme, die mühelos verschiedenste Klangnuancen zum Ausdruck bringt, ist für ganz unterschiedliche Partien ideal geeignet: Puccinis Manon Lescaut, Janáček Jenůfa, Dvořáks Rusalka, die Marie in Bergs Wozzeck oder die Senta in Wagners Fliegenden Holländer, mit der sie 2021 bei den Bayreuther Festspielen debütierte.
Auch mit den Frauenfiguren in den Opern von Peter Tschaikowsky – Marie (Mazeppa), Jolanthe, Tatjana (Eugen Onegin) und Lisa (Pique Dame) – feierte sie Triumphe. In der Partie der Jolanthe gibt Asmik Grigorian als Einspringerin für Sonya Yoncheva ihr Debüt bei den Berliner Philharmonikern. Im April 2022 wird sie mit dem Orchester unter der Leitung von Kirill Petrenko als Lisa in Pique Dame zu erleben sein, zunächst bei den Osterfestspielen in Baden-Baden, anschließend in der Philharmonie Berlin. Zu ihrem Erfolg trägt maßgeblich bei, dass sie sich mit den Frauen, die sie verkörpert, intensiv auseinandersetzt, jede ihrer Seelenregungen zu verstehen sucht – die edlen wie die abgründigen. Sie hat ihre Protagonistinnen ganz verinnerlicht: »In allen meinen Rollen steckt auch etwas von mir selber«, meinte sie in einem Interview. »Ich nenne das: Das Eintauchen in die tiefen Gewässer meiner Persönlichkeit.«