Wie klingen Amazonen? Im 19. Jahrhundert hätten Komponisten auf eine Palette an Klangfarben zurückgegriffen, die das Fremde problemlos, wenn auch vielleicht etwas klischeehaft dargestellt hätte. Im italienischen und französischen Barock kannte man derlei Klangmalereien erst in Ansätzen. Was beispielsweise Marin Marais, Gambist und Hofkomponist am Hof Ludwigs XIV. im Stück L’Ameriquaine aus seiner Suite d’un goût étranger notiert, klingt weder amerikanisch noch sonst irgendwie fremdländisch.
Aber zurück zu den Amazonen: Bis heute ist nicht geklärt, ob es die wehrhaften Frauen, von denen Homer, Herodot und andere erzählen, wirklich gegeben hat. Vor abschließender Beantwortung dieser Frage ist weitere Forschung erforderlich. Forschungsarbeit war ebenfalls Fall nötig, um die Amazonen-Opern zutage zu fördern, aus denen heute Nachmittag Arien und Instrumentalstücke erklingen. Die Amazonen wie auch generell starke Frauen auf der Opernbühne des Barock sind komplexe Figuren, deren Charaktere sich aus bis heute als typisch weiblich und als typisch männlich geltenden Eigenschaften zusammensetzen. Ihre geschlechterspezifische Uneindeutigkeit ist der treibende Faktor für zahlreiche Opernhandlungen und bietet eine unerschöpfliche Quelle dramatischer und musikalischer Inspiration für große lyrischen Szenen, Lamenti, Kriegs- und Wutlieder, zarte Melodien und Instrumentalstücke.
Gerade deswegen findet man in André Cardinal Destouches Oper eine Frauenfigur wie Marthésie, die erste Königin der Amazonen, die in der Schlussszene bei »Quel coup« vor einem Abgrund steht, dort ihren erschlagenen Geliebten sieht und zu ihm hinab in die Schatten steigt – mit mehr Haltung als Orpheus. Giuseppe de Bottis stellt eine andere Amazonenkönigin, Mitilene, in seiner gleichnamigen Oper als eine Frau vor, die von Liebesbanden frei sein will und dennoch unter ihrer unglücklichen Liebe leidet. Die Amazonen, damals wie heute – aktueller denn je.
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