Menschen sind heiter oder nachdenklich, gesellig oder scheu, das stellten bereits die antike Säftelehre und das barocke Affektkonzept fest. Und auch die moderne Psychologie kennt solche Charaktereigenschaften. Was aber ist vorzuziehen: Heiter zu sein, nachdenklich oder doch lieber ausgeglichen? Dies fragt Georg Friedrich Händel in L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato (Der Heitere, der Nachdenkliche und der Ausgeglichene). 1740 wurde das Oratorium zum ersten Mal in London aufgeführt. Charles Jennens, der Librettist des Messiah, hat das Libretto, angeregt durch Gedichte von John Milton, geschaffen und den dritten Teil über den »Ausgeglichenen« selbst hinzu gedichtet. Eine Handlung im eigentlichen Sinne gibt es nicht, stattdessen stellt Händel Frohsinn und Melancholie einander in zahlreichen gegensätzlichen Bildern von Stadt und Land, Geselligkeit und Einsamkeit, Tag und Nacht gegenüber.
Für Händel die Gelegenheit, alle kompositorischen Register zu ziehen: In den zauberhaften Lachchor »Haste thee, nymphs« möchte man ebenso einstimmen wie man dem traurig-schönen Ruf der Nachtigall in »Sweet bird« auf ewig lauschen könnte. Wenngleich der Heitere den Tag, der Nachdenkliche die Nacht vorzieht: An der Natur erfreuen sich beide. Aber weder ungetrübte Fröhlichkeit noch zu viel Nachdenklichkeit verkörpern hier das Ideal. Der dritte Affektträger Il Moderato mahnt, die Extreme zu meiden und das Glück in der Mäßigung zu suchen. Dies kulminiert in »As steals the morn upon the night«, einem Duett von leuchtender Schönheit und transzendenter Anmut: Es lenkt die verschwenderische Bilderfülle der Partitur nach innen und bemüht das Aufklärungs-Symbol des Lichts, das die Schatten im menschlichen Gemüt – Vergnügungssucht nicht weniger als Melancholie – vertreiben soll.
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