»Ich kann nicht Schubert hören, nebenbei Emails schreiben und denken, ich könne die Schönheit dieser Musik verstehen. Dafür brauchte ich Zeit, Ruhe und Konzentration.« Für Christian Gerhaher, der das Berliner Publikum unter anderem in Aufführungen von Robert Schumanns Das Paradies und die Peri, Johann Sebastian Bachs Passionen nach Matthäus und Johannes und Claude Debussys Pelléas et Mélisande eroberte und in der Saison 2013/14 Artist in Residence der Berliner Philharmoniker war, hat Musik etwas Existenzielles: »Musik von Bach, Beethoven, Schubert«, sagt er, »ist keine Vergnügung, genauso wenig wie Musik von Velvet Underground oder The Cure. Es geht um Tod, Verlust und Einsamkeit, um das Fehlen des ideal Vollkommenen, um problematische Seelenzustände und Defizite, die ich interessant finde, und das nicht unbedingt wegen ihrer Nähe zu meinem Leben. Musik schafft oft erst die Erschütterung, die einen dazu bringt, sich nach Trost zu sehnen – und den kann sie dann wunderbarerweise auch noch selbst spenden.« Kein anderer Bariton, hier ist sich die internationale Kritik einig, könne derzeit existenzielle Tiefgründigkeit und stimmliche Schönheit derart miteinander verbinden wie der im niederbayerischen Straubing geborene Sänger – mit einer betörenden Mischung aus satten Tiefen und entrückten Kopftönen. Natürlich ist Gerhaher einer der gefragtesten Sänger seines Fachs. Mit den Berliner Philharmonikern verbindet ihn seit fast 20 Jahren eine enge künstlerische Partnerschaft.