Gestrichen, gezupft, geschlagen
Streichermusik mit und ohne Klavier – von Schubert bis Penderecki
Krzysztof Penderecki: Duo concertante für Violine und Kontrabass
Krzysztof Penderecki hat in den vergangenen Jahrzehnten eng mit der Geigerin Anne-Sophie Mutter zusammengearbeitet und zwei seiner wichtigsten Kompositionen entstanden für diese Interpretin: Das Zweite Violinkonzert Metamorphosen und seine Zweite Violinsonate. Auch die Entstehung des Duo concertante für Violine und Kontrabass geht auf eine Anregung der Virtuosin zurück: »Als sie mich gebeten hat, ein Stück für Geige und Kontrabass zu schreiben, war ich nicht sicher, ob das überhaupt funktionieren würde. Jetzt bin ich aber froh, dass das Duo concertante entstanden ist, da ich hier etwas Neues geschrieben habe, das einen gewissen Seltenheitswert hat«, so der Komponist. Das kurze, nur etwa fünf Minuten lange Duo entstand 2010 als Auftragswerk der Anne-Sophie Mutter Stiftung und wurde im darauffolgenden Jahr in Hannover uraufgeführt. Das Stück spielt mit den Registern dieser beiden so unterschiedlichen Instrumente und thematisiert gewissermaßen das Zusammenwirken von ungleichen Partnern. Penderecki stellt verschiedene Formen des gemeinsamen Musizierens vor. Die Widmungsträgerin Anne-Sophie Mutter hat es so formuliert: »Wir spielen uns hier die Bälle zu oder gehen einander aus dem Weg. Zugleich verfügt das Stück über einen unerschöpflichen rhythmischen Muskel, nutzt die unglaubliche Gefährlichkeit der Attacke im Kontrabass.«
Das Duo concertante ist dreiteilig und beginnt mit einer kurzen Introduktion, bevor im ersten thematischen Abschnitt die unterschiedlichen Dialogformen vorgeführt werden. Da gibt es das klassische Frage-Antwort-Spiel, die kontrapunktische Gegenläufigkeit, das Schema von Hauptstimme und Begleitung oder auch den Wettstreit zwischen gleichberechtigten Partnern. Anklänge an Igor Strawinskys Geschichte vom Soldaten mit seinen charakteristischen Figuren in der Violine sind zu ahnen, wenn in einer Passage ein marschartiger Ton angeschlagen wird. Über einem lang ausgehaltenen, hohen Klang des Kontrabasses hebt der zweite Teil an, der eher melodiebetont und lyrisch-zart daherkommt. Der dritte Abschnitt greift in Form einer Reprise Material des Satzbeginns auf, strukturiert es aber neu. Der verspielte Gestus dieses kurzen Duos ist typisch für den späten Penderecki. Seine Arbeiten der vergangenen Jahre zeigen häufig eine Leichtigkeit und Transparenz, die in seinen avantgardistischen Werken des jungen Komponisten nicht vorstellbar gewesen wären.
Paul Hindemith: Sonate für Kontrabass und Klavier
Der Plan war ehrgeizig: Als Paul Hindemith 1935 seine Sonate für Violine und Klavier in E komponierte, reifte in ihm die Idee, solche Werke für alle gängigen Instrumente zu schreiben. Er hatte bereits etliche davon vollendet, als er im November 1939 seinen Verleger Willy Strecker wissen ließ: »Ich hatte schon immer vor, eine ganze Serie dieser Stücke zu machen. Erstens gibt es ja nichts Vernünftiges für diese Instrumente, die paar klassischen Sachen ausgenommen, es ist also zwar nicht vom augenblicklichen Geschäftsstandpunkt, jedoch auf weitere Sicht verdienstlich, diese Literatur zu bereichern.« Bis 1955 schuf Hindemith eine Anthologie von insgesamt 26 Sonaten für Bläser, Streicher, Klavier, Orgel und Harfe, darunter viele ungewöhnliche Instrumente, für die es bis dahin kaum originale Literatur von Bedeutung gegeben hatte. Die Sonate für Kontrabass und Klavier entstand im amerikanischen Exil innerhalb von nur fünf Tagen während eines Urlaubs des Ehepaares Hindemith in New Mexico. Zurück in Neuengland, ging der Komponist den Streicherpart mit dem Solobassisten des Boston Symphony Orchestra durch, um sich bezüglich der Notation und Spieltechnik Rat von ihm zu holen.
Das Ergebnis ist eine beeindruckend farbenreiche Bassstimme, die viele technische Finessen aufweist wie Flageoletts, reizvolle Pizzicati und andere ungewöhnliche akustische Effekte. Das belegt bereits der verspielte Kopfsatz in freier Rondoform. Ein wiederkehrender und dabei leicht variierter Hauptgedanke umschließt zwei komplexe Couplets. Interessant ist aber vor allem, wie es Hindemith gelingt, eine klangliche Balance zwischen dem tiefen Saiteninstrument und dem Klavier zu erzeugen. Beim letzten Auftritt erscheint das Thema stark modifiziert, bevor in der Coda Pizzicato-Gänge des Basses und synkopisch nachklappende Klavierakkorde noch einmal ein neues Klangbild heraufbeschwören.
Den zweiten Satz gestaltet Hindemith als quirliges Scherzo, dessen unruhiger Charakter sich nicht zuletzt aus den häufigen Taktwechseln ergibt. Der Komponist wählt hier eine einfache Reihungsform, die sich durch die wiederholten Unisono-Läufe des Klaviers leicht nachvollziehen lässt. Das eigentliche Kernstück der Sonate ist jedoch der langsame dritte Satz, der schon von der Länge her die beiden vorigen bei weitem übertrifft. Der Adagio-Teil präsentiert zunächst ein 13-taktiges Thema, das anschließend in sechs Variationen verarbeitet wird. Es folgt eine kurze rezitativische Passage, deren Schlusstakte den Themenkopf erneut aufgreifen. Der »Lied« überschriebene, sangliche letzte Abschnitt offenbart ebenfalls eine Verwandtschaft mit dem Satzbeginn, entpuppt sich jedoch als weitere, klar gegliederte Variation des Themas, bevor nach einer kurzen kontrastierenden Episode die Coda den Hauptgedanken noch einmal abgewandelt aufgreift.
Claude Debussy: Trio für Violine, Violoncello und Klavier G-Dur
Claude Debussy war erst 18 Jahre alt, als er sein Premier Trio en Sol schuf. Neben einigen Liedern ist es eine der frühesten erhaltenen Kompositionen des damaligen Konservatoriumsschülers. Das Werk entstand in Fiesole bei Florenz, wo der junge Musiker im Sommer 1880 als privater Klavierlehrer der Kinder von Peter Tschaikowskys Seelenfreundin Nadeschda von Meck beschäftigt war. Debussy hatte zu jener Zeit die Ausbildung am Pariser Konservatorium noch nicht abgeschlossen und war unschlüssig, was seine Zukunft als Musiker und Komponist betraf. Dass er als erstes instrumentales Werk ein Trio für Violine, Violoncello und Klavier schrieb, hing wohl damit zusammen, dass ihm in Fiesole ein entsprechendes Ensemble zur Verfügung stand, mit ihm selbst am Klavier, Władisław Pachulski an der Violine und Piotr Daniltschenko am Violoncello. Stilistisch ist in vielen Passagen eine Nähe zu Klavierstücken Robert Schumanns erkennbar, den Debussy nicht nur in seiner Jugend außerordentlich schätzte. Doch in seiner unkonventionellen Formbehandlung und der dichten thematischen Arbeit weist das Trio bereits auf den reifen Debussy voraus. Gewidmet hat er das Werk seinem Kompositionslehrer Émile Durand.
Im ersten Satz greift Debussy nicht auf das traditionelle Modell des Sonatensatzes zurück, sondern komponiert eine Folge von Variationen über drei Themen. Das ermöglicht ihm eine große motivische Vielfalt bei gleichzeitigem Bezug auf feste thematische Einheiten. An die Stelle der Durchführung treten harmonische Ausweichungen und Themenvarianten. Motivisch-thematische Arbeit wie in der klassischen Sonatenform findet sich in diesem Abschnitt hingegen kaum. Die Reprise ist deutlich verkürzt und verklingt leise. Der zweite Satz war ursprünglich nur mit »Intermezzo« überschrieben, obwohl es sich um ein ausgewachsenes Scherzo mit eingeschobenem Trio handelt. Pizzicati und synkopische Akzente bestimmen das Klangbild. Der Trio-Abschnitt ist trotz kontrastierender Elemente thematisch eng mit dem Scherzo verwandt. Das an dritter Stelle stehende Andante espressivo hat Debussy in dreiteiliger Liedform gehalten. Lyrische Kantilenen des Violoncello bestimmen Anfang und Schluss des Satzes. Das Finale, ein klassisches Rondo, schreitet harmonisch von g-Moll durch zahlreiche Tonarten bis zum strahlenden G-Dur fort. Instrumentale Virtuosität aller drei Interpreten steht hier im Vordergrund und sorgt für einen effektsicheren Schluss des Werks.
Die Komposition galt lange als verschollen, bis 1979 die Partitur des ersten Satzes bei einer Auktion in Paris auftauchte. Drei Jahre später fand sich die Handschrift der übrigen drei Sätze im Nachlass des von Debussy ausgebildeten Pianisten und Musikschriftstellers Maurice Dumesnil.
Franz Schubert: Quintett A-Dur D 667 Forellen-Quintett
Das sogenannte Forellenquintett zählt zu Franz Schuberts populärsten Kammermusikwerken. Dass er sich dabei im vierten Satz auf sein eigenes Lied Die Forelle bezieht, ist für den großen Erfolg des Quintetts als Erklärung allerdings keineswegs ausreichend. Denn auch in zahlreichen seiner kleiner besetzten Arbeiten knüpfte er an frühere Lieder an, ob in der Wanderer-Fantasie für Klavier, dem Streichquartett Der Tod und das Mädchen oder den Flötenvariationen über Trockne Blumen. Es hat fast den Anschein, als wollte er das einst Vertonte noch einmal, nun mit den Mitteln instrumentaler Farben, ausdeuten. Darüber hinaus gelingt ihm jedoch im Forellenquintett, und das scheint eher der Grund der großen Popularität der Komposition, eine perfekte Balance zwischen Kunstcharakter, Volkstümlichkeit und melodischer Vielfalt. Es handelt sich um ein Musterbeispiel unterhaltender und zugleich anspruchsvoller Kammermusik, das hohe spieltechnische Anforderungen an alle fünf Interpreten stellt.
Die ungewöhnliche Besetzung der Streichquartettformation mit Kontrabass ging auf einen Wunsch des Auftraggebers, des steirischen Musikenthusiasten Sylvester Paumgartner zurück, in dessen Haus Schubert 1819 während seines Sommeraufenthalts in Öberösterreich lebte. Paumgartner bestellte das Werk nach dem Vorbild des Septetts op. 74 von Johann Nepomuk Hummel, das 1816 auch in einer Quintettfassung mit Kontrabass erschienen war. Neben der Besetzung ist auch die fünfsätzige Anlage für ein Werk dieser Art ungewöhnlich, verdankt sich aber wohl dem Wunsch des Auftraggebers nach einer Variationenfolge über das beliebte Lied.
Konzertante Elemente werden in dem gesamten Werk vom Klavier eingebracht, das häufig den vier Streichern effektvoll gegenüber gestellt wird, so zu Beginn des Kopfsatzes, dessen Hauptthema sich alternierend auf Klavier und die Streichinstrumente aufteilt. Spielfreude und lyrische Passagen kontrastieren in diesem übersichtlichen Sonatensatz auf engstem Raum. Zugleich bricht die Virtuosität des Klavierparts sich immer wieder Bahn, andererseits liefert aber auch den zarten Klanghintergrund für die Streicher, wie etwa im sanglichen Seitensatz. Die wenigen Moll-Partien wirken nicht wie melancholische Eintrübungen, sondern eher wie exotische Farbtupfer. Das anschließende Andante in F-Dur erweist sich als zartes, in sich ruhendes Intermezzzo. Immer wieder bereitet der gleichförmige Sextolenfluss des Klavierparts die Basis für die extensive Rhetorik in den Stimmen von Bratsche und Cello in den Moll-Abschnitten. Die drei thematischen Blöcke werden in einem zweiten Teil wieder aufgegriffen und noch einmal bestätigt. Den dritten Satz legt Schubert als feuriges, temperamentvolles Scherzo an, dessen rhythmischen Impulsen im Trio eine weich wiegende Bewegung gegenüber gestellt wird. An vierter Stelle steht die bereits erwähnte Variationenfolge über das Lied Die Forelle, daszunächst fast notengetreu in den Streichern. Auch in den folgenden Variationen wird das Thema selbst kaum variiert, sondern durch fantasievolle instrumentale Umspielungen immer wieder neu beleuchtet. Dabei ist jede von ihnen einer anderen Instrumentenkombination vorbehalten. Gegen Ende des Satzes wechselt Schubert ins schnellere Allegretto und greift noch einmal die sprudelnde Begleitfiguration auf, die der Liedkomposition von Anfang an beigegeben war. Das heitere, facettenreiche Finale hat tänzerischen Charakter. Vor allem das Hauptthema gemahnt an Wiener Kaffeehaus-Musik und versinnbildlicht geradezu die Synthese von Kunstanspruch und unterhaltsamem Charakter. Keinem anderen Komponisten ist diese Melange so wienerisch gelungen wie Franz Schubert.
Martin Demmler