20. Nov 2011
Dieses Mal in Prosa. Klaus Wallendorf, unser philharmonischer Hausdichter, macht sich Gedanken zur Tour:
Lieber Blog, Entschuldigung, dass ich mich erst jetzt einbringe, aber weil Christiane, meine Frau, nicht mit ist, habe ich praktisch nichts erlebt.
Meine Lieblingswanderstrecke ist in allen Städten die vom Nachttisch hinüber zum Waschbecken, dann weiter zum Garderobentrakt – die Selbstversorgerkonsole wird gestreift – Schreibtisch, Ankleidezimmer, das war´s.
In Peking hat mich Huang zum Szechuan-Essen eingeladen und erzählt, dass Martin Walser manchmal nach Coburg fährt.
Ich war kurz im Garten der verbotenen Stadt und wollte Spucknäpfe fotografieren, aber es gibt fast keine mehr. 1980 war die Stadt voll davon. Mit den Fahrrädern sind sie verschwunden.
In Schanghai habe ich liegengebliebene Korrespondenz erledigt. Onkel Jochen in Gersbach wartet schon seit Sommer auf Antwort, es geht um Elfriede Schnocks 80. Geburtstag. Das gehört hier ja gar nicht her.
In Seoul hatte ich ein schönes Zimmer mit Parkblick, das ich aber nur zweimal zu Flussspaziergängen am Hunang River verlassen habe, der zu beiden Seiten nach wie vor von Lautsprecherbäumen gesäumt wird, sicher eine Nachkriegszüchtung. So ist man wenigstens nie richtig allein.
In Tei P. wollte ich in den Zoo, fand aber die Bahnstation nicht gleich, der Bus der Linie 611 war mir zu voll, darum ging ich dann lieber in eine Ausstellung buddhistischer Reliquien, wo ich auch 100 Währungseinheiten für die Verbesserung meines Karmas spendete. Bis jetzt habe ich aber noch nichts gemerkt. Woran merkt man überhaupt, wie sich ein Karma so entwickelt? Das wäre mal ein schönes Thema für einen Hornabend.
Aus den Konzerten ist auch nicht viel zu berichten. Wir treten auf, die Leute klatschen, wir spielen, die Leute klatschen, wir treten ab.
Im Hornkonzert von Hosokawa, wo ich ein echoartiges Fernhorn inmitten des Publikums spiele, komme ich sehr intensiv unter Leute, Bad in der Menge quasi. Aber natürlich, die Verständigung leidet unter den Sprachbarriere, die hier im Fernen Osten ja kaum mit eigenen Mitteln zu überwinden ist.
In der Bruckner-Sinfonie atme ich neuerdings immer schon zwei Takte vor dem Buchstaben G, aber das ist ja auch mehr was für Insider.
In Tokio freue ich mich auf das Schreibwarengeschäft Itoya, wo es die haltbarsten Büroklammern und unheimlich schöne Katzenkalender gibt. Neue Feinleiner brauche ich auch, und für Jacob gibt´s sicher tolle Sachen zum Basteln, Vorstufen des Ikebana aus Krepppapier zum Beispiel, einem der wenigen Worte mit drei P. Naja, dann noch mein Essen mit Miyashitas und Taguchis, ein Liederabend in der Oji Hall, Kuniko singt diesmal „Du bist Orplid, mein Land“, und das war´s auch schon. Tschüs, bis zum nächsten Mal.
PS: Die Lufthansa ist wieder ganz prima geflogen.