10. Mär 2023

Ganz große Oper: 10 Jahre Baden-Baden

Zehn Jahre Osterfestspiele Baden-Baden! Das bedeutet ein Jahrzehnt voller musikalischer Höhepunkte. 2023 gibt es gleich zwei Gründe zu feiern: nicht allein das Jubiläum der Osterfestspiele, sondern auch den 25. Geburtstag des Baden-Badener Festspielhauses, das mit seinen 2500 Plätzen als größtes Opernhaus Deutschlands gilt. Die Osterfestspiele in der frühlingshaften Kurstadt am Rande des Schwarzwalds besitzen einen ganz eigenen Reiz. Nur in Baden-Baden erleben wir die Berliner Philharmoniker auch in der Funktion eines Opernorchesters.

»Willkommen in Baden-Baden!« Bei einem Empfang im Rathaus trugen sich Orchestermitglieder 2013 ins Goldene Buch der Stadt ein.

Die Liste der Operninszenierungen, die das Orchester in den vergangenen zehn Jahren realisiert hat, ist vielseitig, angefangen mit Mozarts Zauberflöte und Puccinis Manon Lescaut und Tosca über Strauss‘ Rosenkavalier, Wagners Tristan und Parsifal sowie Verdis Otello bis zu Tschaikowskys Pique Dame, 2022 unter der Leitung von Kirill Petrenko auf die Bühne gebracht. Er stand in den letzten beiden Jahren auch bei den konzertanten Aufführungen von Tschaikowskys Mazeppa und Jolanthe am Pult. Neben den Opernaufführungen, die das Herzstück des Festivals bilden, runden Orchesterkonzerte mit internationalen Solisten und Dirigenten sowie spannende Kammerkonzerte mit Ensembles der Berliner Philharmoniker das Konzept der Osterfestspiele in Baden-Baden ab.

Mystisch, rätselhaft, klangschön

In diesem Jahr führen die Berliner Philharmoniker und Kirill Petrenko eine der rätselhaftesten, symbolträchtigsten und bedeutendsten Opern von Richard Strauss auf: Die Frau ohne Schatten. Die Titelpartie singt Elza van den Heever, die bei ihrem Rollendebüt 2020 die Presse mit ihrer Interpretation begeisterte. Ihr zur Seite steht als Kaiser der Amerikaner Clay Hilley, derzeit einer der gefragtesten Heldentenöre. Nicht weniger brillant sind als Färberpaar Miina-Liisa Värelä und Wolfgang Koch, die in diesen Partien bereits an der Bayerischen Staatsoper überzeugten. Die Mezzosopranistin Michaela Schuster gibt die dämonische Amme. Regie führt Lydia Steier, selbst ausgebildete Sängerin und derzeit Operndirektorin am Luzerner Theater, die sich durch ihre intelligenten, tiefgründigen Inszenierungen internationales Renommee erworben hat.

Kirill Petrenko dirigiert eine Aufführung von »Pique Dame« 2022.

Von Helden, Liebenden und Vergnügungssüchtigen

Werke von Richard Strauss bestimmen auch das Orchesterkonzert, das Kirill Petrenko leitet. Neben der schwelgerischen, klangprächtigen Tondichtung Ein Heldenleben, in der der Komponist durchaus Parallelen zu seinem eigenen Leben zieht, erklingen die Abschied und Tod reflektierenden Vier letzten Lieder mit der Sopranistin Diana Damrau. Im zweiten Programm der Orchesterkonzerte beschwören Daniel Harding und die Berliner Philharmoniker die Zeit des Fin de Siècle: Sie interpretieren Gustav Mahlers Fünfte Symphonie mit dem berühmten Adagietto, jener zärtlichen musikalischen Liebeserklärung an Ehefrau Alma, die später durch Viscontis Film Tod in Venedig berühmt wurde.

Zum Auftakt dirigiert Daniel Harding die Fünf Orchesterstücke von Arnold Schönberg, in ihrer Kürze bilden sie einen Gegenentwurf zu den monumentalen Symphonien der damaligen Zeit, stehen diesen jedoch in Expressivität und Gefühlsstärke in nichts nach. Einen Kontrapunkt zu diesen beiden Orchesterkonzerten bildet die Aufführung von Georg Friedrich Händels Oratorium Il Trionfo del Tempo e del Disinganno mit Emmanuelle Haïm am Pult der Philharmoniker. Auch wenn der Komponist dieses Werk bereits im Alter von 22 Jahren schrieb, enthält es alles, was seine späteren Oratorien auszeichnet: intensive Emotion, delikate Arien, opernhafte Ensemble­Szenen. Die Geschichte erzählt von einem jungen, vergnügungssüchtigen Menschen, der schließlich erkennen muss, wie vergänglich alle äußerliche Schönheit ist – ein zeitlos aktueller Stoff.

Bühne frei für den Nachwuchs

Nicht mehr wegzudenken von den Osterfestspielen ist das Konzert des Bundesjugendorchesters, für das die Berliner Philharmoniker die Patenschaft übernommen haben. Die jungen Nachwuchsinstrumentalisten werden von Mitgliedern der Philharmoniker gecoacht und führen Richard Strauss‘ Serenade Es-Dur für 13 Blasinstrumente, Gideon Kleins Partita für Streichorchester sowie – unter der Leitung von Kirill Petrenko – Robert Schumanns Vierte Symphonie auf.

Fester Bestandteil der Festspielprogramms: Ein Konzert mit dem Bundesjugendorchester. 2015 dirigierte Sir Simon Rattle.

Musik an vielen Orten

Auch abseits des Festspielhauses gibt es Musik am laufenden Band – 13 Kammerkonzerte geben Mitglieder der Berliner Philharmoniker, im Weinbrennersaal und im Runden Saal des Kurhauses, im Malersaal des traditionsreichen Hotel Maison Messmer, in der Stiftskirche, im Casino und im Theater Baden-Baden. Feststehende Ensembles wie Bolero Berlin, das Scharoun Ensemble, das Philharmonische Streichquartett und das Brahms Ensemble treten ebenso auf wie Gruppierungen, die sich immer wieder für einzelne Projekte zusammenfinden. Im Mittelpunkt der Konzerte steht die Gattung des Streichquartetts, dessen Programmspektrum von Haydn bis zur Moderne gespannt ist. Und auch hier liegt ein Fokus auf dem Schaffen von Richard Strauss, wie auch auf dem von Max Reger, Anton Bruckner und Hans Pfitzner.

Ein vielseitiges Kammermusikprogramm ist ebenfalls Teil der Osterfestspiele. Verschiedene Ensembles der Berliner Philharmoniker präsentieren an unterschiedlichen Orten Kammermusik.

Daneben werden Werke von Komponisten wie Erwin Schulhoff, Erich Wolfgang Korngold, Hanns Eisler und Alexander von Zemlinsky vorgestellt und das Ensemble Bolero Berlin wandelt auf den Spuren von Astor Piazzolla. Unter dem Motto »Richard und die Frauen« setzen sich Mitglieder des Ensembles Theater Baden-Baden und der Philharmoniker gemeinsam mit dem Weiblichen in der Musik auseinander. An das junge Publikum richtet sich das Education-Programm der Berliner Philharmoniker mit seinem Format Zukunft(s)Kultur und ein weiteres Highlight des Festivals ist der Vortrag von Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller über Chiffren in der Kunst. Welche Chiffren offenbaren sich wohl danach in Strauss‘ Frau ohne Schatten?

Nicole Restle
Fotos von Monika Rittershaus

Das komplette Programm der Osterfestspiele finden Sie hier.